Der Effekt - Roman
Brusttasche bei sich trug.
Von dort aus eilte er in den Innenhof, wo ein Landrover mit zwei bewaffneten Leibwächtern und seinem Fahrer American Dave auf ihn wartete.
»Großartig«, murmelte Melton vor sich hin. Und als er näher kam, sagte er lauter: »Guten Morgen! Ihr habt ja die Karte bekommen, auf der die Route eingezeichnet ist. So wie es aussieht, werden wir wohl durch einige unruhige Gegenden kommen.«
Dave, ein massiger, dunkelhaariger Kerl mit einem Dreitagebart, kaute auf seinem Kaugummi und nickte. »Alles klar.«
»Na dann los.«
Es dauerte vier Minuten, bis sie die richtige Richtung eingeschlagen hatten. Zunächst fuhren sie in einem weiten Bogen durch die ruhigeren Straßen des Bezirks, um die Kampfzone zwischen der Avenue Foch und der Place de la Porte Maillot zu vermeiden. In dieser Gegend waren vierzehn große Häuserblocks dem Erdboden gleichgemacht worden, übrig geblieben war eine Trümmerwüste mit brennenden Ruinen dazwischen, durch die kein Fahrzeug mehr durchkam und die somit zum Nahkampfgebiet geworden war. Der Regen hatte die Feindseligkeiten abklingen lassen, aber die Gefechte waren nicht wirklich zum Erliegen gekommen. Irgendwann näherten sich zwei Düsenjets, um ihre Bomben auf feindliche Stellungen abzuwerfen. Die Luftwaffe stand zum größten Teil hinter Sarkozy, aber trotzdem zuckte Melton zusammen. Strategisch betrachtet befanden sie sich noch immer auf dem Gebiet der Loyalisten, und ein gepanzerter Landrover gab immer ein gutes Ziel ab.
Er schaute ihnen nicht hinterher, weil American Dave überraschend ein Gespräch mit ihm anfing, als er eine CD in den Player schob. Melton schaute sich das Cover an. Dave Dudley’s Truckin’ Hits.
»Bald wird’s blutig werden«, sagte American Dave.
Na gut, das war nicht gerade viel, aber immerhin der Anfang eines Gesprächs.
»Ja«, sagte Melton. »Es wird immer ziemlich biblisch, wenn irreguläre Truppen von den großen Einheiten in die
Zange genommen werden. Die dürften inzwischen ganz schön verzweifelt sein. Die Marines und die Panzerbrigade sind durch den Park gekommen, und zwei weitere Divisionen haben gestern Romaine und Noisy-le-Sec erobert. Die Loyalisten sitzen in der Falle.«
Dave schnaubte abfällig.
»Scheiß Loyalisten. So ein Blödsinn. Niemand, der nicht selbst ein Moslem ist, sollte sich mit diesen Kopftuchbanditen zusammentun.«
Melton ließ das so stehen. Er hatte keine Ahnung, welche Strategie die Loyalisten überhaupt hatten. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie sich plötzlich entschließen sollten, die arabischen Streetgangs zu massakrieren, wenn es ihnen in den Kram passte.
Der Landrover rumpelte durch die verlassenen Straßen, die von abgestorbenen Bäumen gesäumt wurden. Noch immer fiel starker Regen, man konnte kaum weiter als dreißig Meter sehen. Die Fenster und Türen in den Häusern waren zerbrochen oder standen offen, die Bewohner längst geflüchtet. Ab und zu tauchte ein Schatten hinter einer Barrikade auf, aber immer nur ganz kurz. Im Fond des Wagens hielten Meltons Begleiter ihre Waffen schussbereit.
»Glauben Sie nicht?«, fragte Dave.
»Was glaube ich nicht?«
»Dass die Moslems und die Loyalisten gemeinsame Sache machen.«
Melton zuckte mit den Schultern.
»Sie haben einen gemeinsamen Feind«, erklärte er, »aber das macht sie noch lange nicht zu Freunden. Die Loyalisten kämpfen gegen Sarkozy, weil sie ihn für einen Diktator halten. Für einen Faschisten. Die Araber auf den Straßen in den Vorstädten bekämpfen ihn, weil er ihnen die Armee auf den Hals geschickt hat, um ihnen zu zeigen, wer der Herr im Haus ist. Die Skinheads kämpfen
gegen sie, weil sie Skinheads sind. Die anderen weißen Banden bekämpfen die Araber, weil man jetzt eben kämpfen muss. Wer kämpft, kann was zu essen erbeuten. Wer kämpft, bleibt am Leben. Vielleicht. Ich glaube nicht, dass es um wesentlich mehr geht.«
Dave brummte etwas vor sich hin und schwieg.
Dave Dudley sang davon, dass er der König der Landstraße sei.
Im Augenwinkel bemerkte Bret Melton die verräterische Rauchwolke eines Raketengeschosses.
Er hatte keine Zeit mehr, die anderen zu warnen. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen umfing ihn, die Welt dort draußen stand Kopf, und ein glühend heißer Feuerball explodierte um ihn herum.
42
Seattle, Washington
Es regnete, natürlich. Jed Culver zog den Mantel enger um seinen massigen Oberkörper, als er das Foyer des Hotel Monaco verließ. Die Sitzung in seiner Suite ging immer noch weiter.
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