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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ungewöhnlicher Haarschnitt, der einfach ein bisschen zu lang ist, außerdem Ihre ›Hallo-wie-geht’s‹-Routine, die ein bisschen zu eingeübt und zu locker klingt, und dann haben sie da diesen Punkt an ihrem linken Ohrläppchen, da könnte irgendwann mal was drin gesteckt haben, vielleicht weil sie früher in einer Untergrundzelle von irgendwelchen anarchistischen Unruhestiftern mitgemacht haben. War nett, wie Sie mich angesprochen haben, aber ich habe seit Wochen mit Soldaten zu tun, und keiner von denen hat mich jemals anders als mit ›Mr. Culver‹ und ›Sir‹ angesprochen. Also hören Sie endlich auf, um den heißen Brei herumzureden, und sagen Sie mir, was Sie von mir wollen.«
    McCutcheon schaute ihn sichtlich amüsiert an. Das hatte ihn kein bisschen aus der Fassung gebracht. Also gut, dachte Culver, ein Punkt für ihn.
    »Sie sind doch der Mann, der diese ganze Chose organisiert hat, Jed.« McCutcheon lächelte, aber in seiner Stimme schwang Härte mit.
    »Sie meinen den Verfassungskongress?«
    »Genau. Diese Versammlung im Verwaltungsturm zu Babel.«
    »Nein, die habe ich nicht einberufen, Mac. Es dürfte ein Leichtes für Sie sein, herauszufinden, dass sie von den übrig gebliebenen Institutionen der Legislative in die Wege
geleitet wurde, und zwar in Übereinstimmung mit Artikel fünf der Verfassung. Ich bin nur ein Abgesandter aus dem Büro von Gouverneurin Lingle.«
    »Unsinn. Jeder weiß, welche Rolle Sie hier spielen. Es ist ein gefährliches Spiel, Jed. Schauen Sie sich doch die Stadt hier an.«
    McCutcheon deutete mit seiner behandschuhten Hand auf die Umgebung. »Über eine halbe Million Menschen vegetieren dahin wie die Ratten. Eine Untergrundbewegung treibt ihr Unwesen und steht kurz vor dem bewaffneten Kampf. Das Einzige, was den Deckel auf dem überkochenden Topf hält, ist das Kriegsrecht. Und das ist nur die Situation hier. Wissen Sie, wie es mittlerweile in Hawaii aussieht? Sie haben bestimmt auch von den Flüchtlingslagern in Chile und Brasilien gehört. Amerika ist keine funktionierende Nation mehr. Es ist zerfallen und schon fast untergegangen. Glauben Sie wirklich, wir können uns noch mit so einem Blödsinn wie Gesetzentwürfen und politischen Debatten aufhalten, mit diesem ganzen demokratischen Tralala, der uns früher in Atem gehalten hat? Wir stehen kurz vor dem Untergang.«
    »Nein«, seufzte Culver. »Sie stehen kurz davor, mir Kopfschmerzen zu bereiten. Wer sind Sie denn, McCutcheon? Blackstones Oberputschist? Sein Staatsstreich-Stratege? Was genau wollen Sie denn eigentlich von mir?«
    »Es geht nicht um das, was ich will, sondern darum, was Sie für Ihr Land …«
    »Bitte, nicht diesen Slogan, okay?«
    Culver wandte sich ab und ging weiter die Straße entlang zum Kongressgebäude. Er erwartete beinahe, dass McCutcheon ihn am Arm festhalten und in einen schwarzen Lieferwagen zerren würde oder in eine dunkle Seitengasse. Aber der Mann von der Air Force, falls er wirklich zu denen gehörte, ging ihm nicht einmal hinterher. Er rief einfach nur etwas hinter ihm her: »Zimmer 1209«.

    Es dauerte einen Moment, bis Culver klarwurde, was damit gemeint war, dann blieb er abrupt stehen.
    »Da wohnt doch momentan Ihre Familie«, sagte McCutcheon. »Zimmer 1209 im Embassy Hotel.«
    Culver musste sich sehr beherrschen, um nicht herumzuwirbeln und sich auf ihn zu stürzen. Er war immer noch sehr kräftig, auch wenn er schon in die Jahre gekommen war. Er hatte die Figur eines Ringers und noch immer nicht zu viel Fett angesetzt, und in diesem Augenblick drängte ihn jeder einzelne Nerv in seinem Körper zur Tat. Am liebsten hätte er McCutcheon den Arm abgerissen und ihn damit in den Boden geprügelt.
    Stattdessen setzte er ein listiges Lächeln auf und ging zu dem Major zurück.
    »Ich weiß nicht, wer Sie eigentlich sind, McCutcheon. Wer Sie wirklich sind. Ich weiß auch nicht, was Sie wollen. Ich will mal zu Ihren Gunsten annehmen, dass Sie ehrenvolle und anständige Motive verfolgen, auch wenn die meisten hier in der Stadt sich von eher teuflischen Eingebungen leiten lassen. Aber wenn Sie auch nur ein bisschen über mich herausgefunden haben, dann wissen Sie, dass ich Drohungen nicht auf die leichte Schulter nehme und sie auch nicht leichtfertig ausstoße. Was das Geschäftliche betrifft, sind wir beide für heute miteinander fertig. Aber ganz persönlich gibt es noch etwas zu klären zwischen uns.«
    Und damit drehte Culver sich um und ging davon. Er fragte sich, ob er an dem

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