Der Effekt - Roman
geplanten Treffen festhalten sollte. Wurde er nicht längst überwacht?
Und was genau führte McCutcheon im Schilde?
Es war riskant, einen Mann wie Jed Culver auf diese Weise unter Druck zu setzen. Was würde passieren, wenn er sich irgendwelchen Nachrichtenreportern anvertraute? Wenn er sich öffentlich darüber beklagte, dass ein Offizier der Air Force ihn und seine Familie bedrohte?
Aber dann musste er lächeln.
Er wusste, was dann passieren würde. McCutcheon würde eine Handvoll glaubhafter Zeugen aufbieten, die womöglich sogar handfeste Beweise in petto hatten, Audio- und Videoaufnahmen, die beweisen würden, dass er zu dem Zeitpunkt, den Culver nannte, überhaupt nicht in der Stadt war. Culver würde lächerlich gemacht und womöglich als Mitverschwörer der Résistance denunziert werden. Und dann wäre es aus mit seiner Macht als Strippenzieher im Hintergrund.
Er nickte bewundernd, hielt an und wandte sich um. McCutcheon war natürlich längst verschwunden.
»Verdammter Hurensohn«, murmelte Culver vor sich hin. »Du bist nicht halb so dumm, wie du vorgibst.«
Er schnaubte leicht amüsiert und ging weiter Richtung Rathaus.
Erst ein paar Straßen weiter konnte er sich wieder halbwegs entspannen.
Als James Kipper sich das Buffet in der Kongresshalle näher ansah, sehnte er sich nach seinen Vorräten an gefriergetrockneten Lebensmitteln, die er zu Hause aufbewahrte. Die Militärs hatten die Tische vollgepackt mit in Plastik eingeschweißten Rationen, und ein paar Kannen, die eher aussahen wie Urnen, die man im Keller ausgegraben hatte, enthielten heißes Wasser, mit dem man sich Instantkaffee aufgießen konnte. Die erste Tasse war umsonst, danach musste man selbst für Nachschub sorgen. Kipper riss ein Päckchen Army-Kaffee auf und fragte sich, ob der von der Navy vielleicht besser wäre. Jemand hatte das mal behauptet. Schade, wenn es so war, denn die Army hatte mittlerweile den gesamten Kaffeehandel in Seattle unter sich.
In der Halle war es heiß und stickig. Das war sein Verdienst. Der neuen Energiesparverordnung entsprechend
mussten alle Klimaanlagen heruntergefahren werden. Das elektrische Licht musste ebenfalls gedämpft werden. Gerade das hatte Kipper einige Überwindung gekostet, aber jedes Mal, wenn ihn ein verschwitzter Kongressabgeordneter wutentbrannt zur Rede stellte, zuckte er nur mit den Schultern und wies darauf hin, dass die Bürger von Seattle nur acht Stunden am Tag elektrischen Strom geliefert bekamen. Er brühte sich seinen Kaffee auf und nahm sich ein Stück Army-Schokolade, die er seiner Tochter mitbringen wollte. Die Soldaten nannten sie »Schokoblock«, und nachdem er einen probiert hatte, wusste er auch, warum. Sie waren steinhart, aber seine Tochter schien sie zu mögen. Er schaute sich noch die herumliegenden Verpflegungspäckchen an und fragte sich, ob sie wohl Smarties oder M&Ms enthielten. Man wusste es nie, bevor man nicht hineingeschaut hatte.
Er wollte gerade wieder das Weite suchen, als ihm ein riesiger Kerl in einem teuren dreiteiligen Anzug in den Weg trat.
»Sind Sie Mr. Kipper, der Chef der Stadtwerke?«
Kip versuchte ein neutrales Gesicht zu machen und fragte sich, ob er jetzt Probleme bekommen würde, weil er den Schokoriegel eingesteckt hatte. Als einer der oberen Verwaltungsbeamten der Stadt hatte er Zutritt zum Konferenzsaal - für den Fall, dass er fachliche Erklärungen abgeben sollte -, das hieß aber nicht, dass er am Buffet herumlungern durfte. Das war nur für die Delegierten da. Er versuchte, den Schokoriegel so gut es ging in seiner Hand zu verbergen.
»Keine Panik, mein Freund. Ich kann mich auch nicht zurückhalten, wenn was Süßes herumliegt.« Der Mann im Dreiteiler grinste ihn an. »Culver, mein Name. Jed Culver, ich gehöre zur Delegation aus Hawaii. Und Sie sind James Kipper, richtig?«
»Leiter der Stadtwerke, stimmt«, sagte Kipper. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich erklären zu müssen. »Das
hier ist … äh … für meine Tochter. Sie ist sechs Jahre alt und …«
Culver hob die Hand und schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie’s gut sein. Ich hab selbst zwei Kinder. Allerdings sind die inzwischen etwas älter geworden. Zwei Teenies, sie sind in Honolulu geblieben, Gott sei Dank. Hören Sie mal, Mr. Kipper, könnten Sie mir nicht ein paar Minuten Ihrer kostbaren Zeit opfern?«
Kipper fühlte sich immer noch schuldig wegen des Schokoriegels und hatte den Eindruck, er könne jetzt nicht einfach ablehnen.
»Kann ich Ihnen
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