Der Effekt - Roman
Scharfschütze!«
In Begleitung von zwei Marines und einem ehemaligen Kommandanten der Küstenwache raste Pileggi in einem kubanischen Trabant, den Sergeant Gutteres vor dem Hauptquartier mit geübten Fingern kurzgeschlossen hatte, Richtung Flugplatz. Gutteres schien mit dem kleinen Auto gut klarzukommen, die Reifen quietschten, und es roch nach verbranntem Gummi. Hin und wieder flogen Kugeln pfeifend und jaulend über sie hinweg, manche Geschosse explodierten knallend in ihrer Nähe, dann wieder war es beängstigend still um sie herum. Als sie die letzte Kurve vor dem Hangargebäude nahmen und am Rand des Flugfelds ankamen, deutete Gutteres in den Himmel. Was sie dort sah, zerstörte alle ihre Hoffnungen: Eine ganze Horde von Fallschirmen entfaltete sich. Abwehrgeschütze versuchten, sie unter Beschuss zu nehmen, aber es war ein sehr
untauglicher Versuch und wirkte im Vergleich zu den Kanonaden, die die ganze Zeit am Boden stattfanden, geradezu lächerlich.
Lundquist, der ehemalige Offizier der Küstenwache, lenkte den Trabbi um einige ausgebrannte Fahrzeuge herum und hielt dann mit quietschenden Bremsen vor mächtigen Betonröhren, hinter denen sich eine Gruppe von Marines verschanzt hatte, um von hier aus den Flugplatz zu verteidigen. Pileggi, die immer noch ihre Bürouniform trug, sprang aus dem Wagen und rannte zu den Soldaten. Ihre Bodyguards bemühten sich Schritt zu halten. Die gigantische, knapp zwei Meter hohe Betonröhre bot einen guten Schutz gegen den feindlichen Beschuss, dennoch duckte sie sich, um zu verhindern, dass ein knapp über den Scheitel der Röhre kommender Schuss sie erwischte. Einige der venezolanischen Fallschirmspringer schossen schon im Runterkommen aus ihren Handfeuerwaffen. Dieser Beschuss war zwar unpräzise, wurde aber immer stärker.
»Sind Sie Sergeant Carlyon?«, fragte sie den Soldaten, neben den sie sich gegen die Betonwand drückte.
»Ja, Ma’am«, sagte er und las den Namen auf ihrem Schild ab. »Wir haben eben miteinander telefoniert, Colonel.«
»Okay, wie ist die Lage, Sergeant? Ich werde hier nicht das Kommando übernehmen, ich will nur wissen, wie ich Ihnen helfen kann.«
Carlyon schien erleichtert zu sein.
»Ich habe acht Marines bei mir, Colonel. Nur noch sechs von ihnen haben Munition übrig. Insgesamt habe ich um das Feld herum nicht ganz fünfzig Mann postiert. Einige von ihnen sind Matrosen, andere sind von der Luftwaffe. Sie sind nicht für solche Einsätze trainiert. Außerdem habe ich noch ein paar MPs bei mir, die sich damit schon besser auskennen.«
Während er sprach, entleerten seine Männer ihre Magazine in Richtung der Venezolaner, die sie zwischen den zahlreichen herabsinkenden Fallschirmen ausmachen konnten.
»Die haben schon eine ganze Kolonne auf dem Festland«, erklärte der Sergeant mit lauter Stimme, um das anhaltende Gewehrfeuer um sie herum und den Gefechtslärm in der Bucht zu übertönen. »Aber sie haben sich noch nicht gruppiert. Offenbar sind sie mit mehreren Schlauchbooten angelandet, wurden dann aber getrennt und konnten noch nicht wieder zusammenfinden. Wir haben sie hinter ein paar Container am Ende des Flugfelds zurückgedrängt. Aber die scheinen jetzt ihre Taktik zu ändern.«
Er schaute nach oben und trat ein Stück aus dem Schutz der Röhre, hob ganz ruhig sein Gewehr, schoss und traf zwei Fallschirmspringer, die in etwa neunzig Meter Entfernung herunterkamen.
»Sie können meine Leute hier haben«, sagte Pileggi. »Und meine MP. Geben Sie’s einem Ihrer Männer. Ich komme auch ohne aus.«
Während Carlyon ihre Maschinenpistole an einen dankbaren Marine weitergab, zog sie ihre Pistole aus dem Halfter.
»Vielen Dank, Colonel.«
Hinter ihr hob Lundquist seine Schrotflinte und schoss zweimal. Knapp vierzig Meter entfernt lag jetzt ein abgetrenntes Bein, daneben krümmte sich ein schreiender Fallschirmspringer, dem es gehört hatte.
»Sie brauchen mehr Männer und mehr Waffen«, stellte sie fest. »Gibt’s hier ein Funkgerät?«
Carlyon schüttelte den Kopf und reichte ihr ein Handy.
»Es geht noch. Ab und zu.«
»Okay. Ich will mal sehen, ob ich noch ein paar Leute hierherbekomme. Was ist denn aus den Zivilisten geworden, die hier waren?«
»Die sind tot.«
Hauptquartier der pazifischen Streitkräfte, Hawaii
Admiral Ritchie schaute auf die breiten HDTV-Bildschirme in der improvisierten Kommandozentrale in Fort Shafter. Mitte links waren die aktuellen Bilder von den Kämpfen in Guantánamo Bay zu sehen. Mitte
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