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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eine ganze Menge Angst und Belastung der letzten Wochen verschwand.
    Sie stand in einem Schützengraben und richtete den Lauf ihrer Maschinenpistole, die sie dem toten Marine abgenommen hatte, dem sie es vor einigen Stunden übergeben hatte, auf eine kleine Gruppe von venezolanischen Fallschirmspringern, die um einen Haufen Schutt herumgingen, der vielleicht hundert Meter entfernt in Flammen aufgegangen war. Es war mal ein Lager für Chemikalien gewesen, welcher Art, wusste sie nicht. Aber der Gestank
war heftig genug, um die üblen Gerüche des eroberten Stützpunkts zu überdecken. Überall lagen Leichen, teilweise verbrannt, Fliegenschwärme hatten sich auf dem halbgetrockneten Blut festgesetzt, Rauch von Napalmbomben stieg auf, Verwundete krochen herum, es war eine hässliche Szene, aber der Gestank des Lagerschuppens übertraf alles.
    »Sergeant Carlyon, zählen Sie mal durch.«
    »Dreiundzwanzig Mann, Ma’am, wie vor fünf Minuten.«
    Pileggi nickte. Sie waren über eine Frontlinie von knapp hundert Metern verteilt, manche lagen in Erdkuhlen, andere hatten hinter kaputten Maschinen oder Betonwällen Schutz gesucht. Sie hielten noch durch.
    Die Zahl der Feinde ging inzwischen in die Hunderte, aber sie waren relativ zurückhaltend vorgegangen und hatten deshalb mehr Verluste erlitten, als nötig gewesen wäre. Sie hätten uns in weniger als einer Stunde überrennen können, dachte sie. Carlyon sprang auf und gab drei Schüsse ab. Lundquist folgte seinem Beispiel und schoss mit seiner Schrotflinte. Die Antwort war heftig, aber nicht sehr präzise gezielt.
    Sie sah zu, wie die Gruppe sich positionierte, um sie von Norden her anzugreifen. Carlyon hatte sie auch bemerkt.
    Der Stützpunkt Guantánamo war dem Ende nahe. Die Besatzung hatte sich tapfer geschlagen, aber es war klar, dass sie bald überrannt würden, wahrscheinlich schon in den nächsten Stunden. Ihre Kameraden würden mit ihr sterben. Sie wusste, dass die Männer entschlossen waren, sich nicht zu ergeben. Lundquist kauerte da und lud seine Flinte, neben ihm hockte Jimbo Jamieson, ein Zivilist, der mitten im Gefecht zu ihnen gestoßen war, zusammen mit einer Wagenladung Matrosen, zwei Kisten Munition und zusätzlichen automatischen Waffen. Jamieson sah zu, wie
die Feinde sich durch die Dunkelheit bewegten und immer näher kamen.
    Obwohl sie sich sehr genau auf die Angreifer von der Flanke konzentrierte, bemerkte Pileggi ungewöhnlich viele Details um sich herum.
    Ein Schopf roter Haare, der unter einem Helm hervorragte, ein Bajonett, ein gedämpftes Husten im Graben nebenan, das im Kampflärm kaum zu vernehmen war.
    Ihr Leben hatte nur noch einen einzigen Zweck: die unaufhaltsame Katastrophe hinauszuzögern. Die Angreifer kamen jetzt von drei Seiten, bald würden sie einen Großteil des Gebietes eingenommen haben. Immer mehr würden den Voranstürmenden folgen und den Verteidigern ebenso wie den Zivilisten den Garaus machen.
    Wer weiß, was dann für ein Gemetzel folgte, sicher war es besser, dann nicht mehr dabei zu sein. Sie hatte schon gesehen, dass vereinzelte Boote mit Zivilisten versuchten, die Bucht zu verlassen. Einziges Ergebnis war, dass sie ein noch besseres Ziel abgaben.
    Die blutigen Gewalttaten, die sie bei der Verteidigung des Flugplatzes mit ansehen musste, hatten ihnen klargemacht, was sie erwartete. Zahlreiche tote Fallschirmjäger lagen dort herum.
    Sie zielte in die Mitte einer Gruppe, die direkt auf sie zukam. Sie hatten Carlyons Hinterhalt noch nicht bemerkt. Gut. Eine halbe Sekunde war so lang wie eine Ewigkeit. Susan Pileggi hatte genügend Zeit, sich ihre armseligen Uniformen genau anzusehen, die abgelaufenen Schuhe des Anführers. Das sprach für eine hastig geplante, wenig durchdachte Aktion. Ein Hund, dem ein Bein fehlte, lief plötzlich vor den Venezolanern her und drehte sich um die eigene Achse, als sei er von einem Dämon besessen. Wahrscheinlich war er verrückt geworden.
    »Feuer.«

    Der Hund zerspritzte in einzelne Klumpen von Blut, Fleisch, Knochen und Fell, als er von einer Breitseite aus dem Maschinengewehr getroffen wurde. Sie hörte, wie Lundquist fluchte und neu zielte. Die Angreifer sprengten auseinander wie verschreckte Kaninchen. Eine unsichtbare Welle schwappte über die Hälfte von ihnen hinweg, warf einige um und andere in die Luft, einer wurde in der Mitte zerteilt.
    »Weitermachen, Jungs!«, schrie Carlyon über das Dröhnen der Schüsse.
    Das Geräusch der explodierenden Handgranaten übertönte das

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