Der Effekt - Roman
rechts brachte die Live-Reportage eines Journalisten vor Ort, der zum regierungseigenen Fernsehsender gehörte. Er begleitete die venezolanischen Angreifer bei ihrem Marsch auf das Hauptquartier der amerikanischen Truppen und sprach in die Kamera, während er im Scheinwerferlicht eines Amphibienfahrzeugs stand. Das Satellitenbild wurde ständig zerhackt, und die Verbindung brach immer wieder ab, trotzdem sah Ritchie, dass der Mann verängstigt aussah. Er gab die ganze Zeit wertvolle Informationen preis, die ein Team von Marines sofort an die Kämpfenden in Guantánamo weitergab.
Auf dem Bildschirm ganz links war der venezolanische Präsident Hugo Chávez zu sehen, wie er die Faust in den Himmel reckte und einen Schwall spanischer Sätze ins Mikrofon brüllte. Die Rede wurde in Untertiteln übersetzt, aber Ritchie hatte schon längst aufgegeben, der Tirade zu folgen. Seine Aufmerksamkeit galt der gerade stattfindenden Videokonferenz mit einem der übrig gebliebenen Offiziere der Flugzeugträgerflotte, Captain Don Taylor. Hinter dem Kommandanten der USS Nimitz flackerten Lichter, während er General Tommy Franks Bericht erstattete.
»Ich habe immer noch zwei Drittel meiner Flugzeuge einsatzbereit. Aber wir fahren nur mit halber Kraft und nur mit einer Schraube. Hinzu kommt, dass die USS Princeton uns folgt. Die müssen wir möglicherweise versenken, wenn wir es nicht schaffen, das eindringende Wasser abzupumpen«, sagte Captain Taylor.
Admiral Ritchie lehnte sich nach vorn. »Captain, Sie werden doch in den Atlantik vorstoßen, heute Nachmittag, ist das korrekt?«
»Ja, Sir. Wenn wir keine Schwierigkeiten in Gibraltar bekommen. Die britische Marine hat uns mitgeteilt, dass sie dort alles unter Kontrolle hat, aber leider ist Marokko ja ziemlich dicht dran. Wir können frühestens in zehn Tagen Kuba erreichen.«
General Franks schüttelte den Kopf. »Das nützt uns nichts mehr, Don.«
Captain Taylor nickte. Sein Gesprächspartner war so dünn, er schien kein Gramm Fett am Körper zu haben. Die meisten Soldaten der Navy waren immer ein bisschen übergewichtig, so wie Ritchie.
»Don, können Sie nicht vielleicht einen Teil ihrer schnellen Einsatztruppe entbehren?«, fragte Ritchie. »Jemanden vorausschicken, der es in kürzerer Zeit schafft?«
Captain Taylor rieb sich den Nasenrücken, wahrscheinlich, um einen klaren Kopf zu bekommen oder um einen Anfall von Migräne zu unterdrücken, vielleicht auch beides. »Sir, wenn Sie der Ansicht sind, dass es was bringt, dann könnte ich mir vorstellen, dass die Eingreiftruppe da gern mitmacht. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich damit meine Kampfkraft entscheidend schwäche und damit sowohl die Nimitz als auch die Princeton in Gefahr bringe. Hinzu kommt, dass ich eine ganze Flotte von Flüchtlingsschiffen im Kielwasser habe. Einige von ihnen konnten wir überprüfen, andere nicht. Wir wissen nicht, ob das eine oder andere Schiff womöglich ein trojanisches Pferd ist.«
Franks warf Ritchie einen Blick zu. »Glauben Sie, dass es gehen könnte?«
Ritchie schaute auf die große Atlantikkarte. Sie waren schon wieder bei Karten aus Papier und Markierungsstiften und -nadeln angelangt, um ihre Positionen abzustecken. Nicht weil ihnen die Computer fehlten, sondern weil sie die eigene Sicherheit nicht gefährden wollten. Die Gefahr, ausspioniert zu werden, war viel zu groß.
»Nein, Sir«, erklärte Ritchie. »Die Nimitz sollte weitermachen wie geplant. Wir müssen was anderes versuchen.«
Franks wendete sich an den Kommandanten der US Army im pazifischen Raum, der die ganze Zeit über schweigend dagesessen hatte. »Francis, was meinen Sie zu Guantánamo?«
General Murphy schnaubte unzufrieden. »Die sind am Arsch, Sir. Da sind auch jede Menge Zivilisten mit betroffen. Da ist nichts mehr zu machen, General Musso ist ein intelligenter Mensch, er wird es genauso sehen.«
»Sie sollen sich also ergeben?«, fragte Franks.
Murphy brachte es nicht über sich, es auszusprechen. Er verschränkte die Arme und nickte bloß.
»Sir?« Ein Unteroffizier näherte sich. »Guantánamo am Apparat.«
Marinestützpunkt Guantánamo Bay, Kuba
Susan Pileggi atmete aus und merkte, wie ein Teil der Anspannung von ihr abfiel, der ihre Arme und Schultern verkrampft hatte. Nicht dass sie jetzt locker gewesen wäre, das war wirklich unmöglich. Aber sie sah das Ende kommen und wusste, dass es keine Möglichkeit zur Flucht oder Erlösung gab. Zum ersten Mal konnte sie es akzeptieren, und
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