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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Schlingern geriet. Die meisten Passagiere lagen in ihren Kojen, viele hatten sich angeschnallt, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Im Maschinenraum behielten die Maschinisten, ein Mann aus Sri Lanka und zwei Holländer, die Kontrollleuchten im Auge und sahen dabei so besorgt aus wie alle Maschinisten in einer solchen Situation. Der aus Sri Lanka hatte einen verbundenen Arm, weil er sich mit heißem Dampf verbrüht hatte. Sie kontrollierte die Brandwunde, die ziemlich übel aussah, aber er wollte unbedingt auf seinem Posten bleiben.
    Im großen Salon, der recht kahl wirkte, nachdem der größte Teil der Einrichtung beiseitegeschafft worden war, saß Phoebe, die Treuhanderbin, mit einem der Dorfkinder zusammen. Sie kuschelten sich in einem der größeren Sessel zusammen, und bevor Jules fragen konnte, was,
zum Teufel, sie denn da eigentlich taten, sagte Phoebe: »Maya hat Angst bekommen. Sie hat sich auf dem Weg zur Toilette verlaufen und kam in meine Kabine. Ich hab ihr versprochen, mich eine Weile um sie zu kümmern.«
    Julianne fragte sich, ob Maya die Einzige war, die Angst hatte und getröstet werden musste, aber sie ließ es dabei bewenden. Es würde nichts bringen, wenn jetzt noch Panik ausbrach, weil ein Kind verschwunden war.
    »Danke, Phoebe, das ist nett von Ihnen. Aber Sie sollen sie bald wieder in ihre Koje bringen. Ich möchte, dass alle ausgeruht sind.«
    Sie wandte sich ab und wollte sich auf den Weg in ihre eigene Kajüte begeben, als Phoebe hinter ihr herrief: »Hey, Julianne.«
    »Ja?«
    »Darf ich Sie mal was fragen?«
    Im Gesicht von Phoebe war sehr deutlich die Antwort auf Juliannes nicht gestellte Frage zu lesen.
    »Sie sind doch einmal reich gewesen, stimmt’s?«
    Jules konnte nicht anders, als hämisch lächeln. »Sie doch auch.«
    »Nein«, sagte Phoebe. »Das meine ich nicht. Ich meine, bevor das alles passiert ist. Vor dem Großen Verschwinden, bevor Sie diese Jacht gefunden haben. Bevor Sie mit Fifi und diesem Chinesen über die Meere gezogen sind. Da sind Sie reich gewesen. So wie ich. Ich erkenne das an der Art, wie Sie sprechen. Und daran, wie Sie Ihre Mannschaft befehligen. So als wären Sie dazu geboren.«
    Die Jacht hob und senkte sich. Jules verlor das Gleichgewicht und taumelte nach vorn. Sie ließ sich in einen Sessel neben Phoebe fallen. Das war immerhin besser, als durch die Glastür zu fliegen.
    »Ja«, seufzte sie. »Meine Familie hatte Geld. Schon immer. Und mein Vater hat noch eine ganze Menge mehr zusammengestohlen. Aber es war nicht genug, um seine
extravaganten Ansprüche zu befriedigen und den Unterhalt unserer Besitzungen zu finanzieren.«
    »Ich wusste es«, rief Phoebe triumphierend. »Dann sind Sie also in so einer Art Schloss aufgewachsen?«
    »So ähnlich. Aber es ist nicht im Entferntesten so großartig, wie es klingt. Wir mussten unser Haus am Wochenende für das Publikum öffnen, um es uns leisten zu können.«
    »Und wie kam es, dass Sie da gelandet sind, wo Sie jetzt sind, was immer Sie auch tun?«
    Julianne lächelte. »Schmuggeln, Phoebe. Ich war eine Schmugglerin. Das bin ich wohl immer noch, schätze ich. Es ist einer der wenigen Berufe, die sich auch heutzutage noch auszahlen.« Jules zuckte mit den Schultern und vergrub sich tief in dem bequemen Sessel. »Meinen Vater hatte ich sehr gern, trotz seiner Fehler. Vielleicht sogar gerade wegen dieser Fehler. Er war ganz anders als die Leute, mit denen wir zu tun hatten. Oder besser gesagt, war er genauso wie sie, aber er war ehrlicher.«
    »Aber er hat Geld gestohlen.«
    »Das hat er, er war wirklich ein Schuft, aber er hat immer nur von den Reichen gestohlen. Und du kannst mir ruhig glauben, Phoebe, eine Familie, die seit neunhundert Jahren wohlhabend ist, muss einen gewissen Teil ihres Reichtums gestohlen haben. Das meiste wahrscheinlich.«
    Es blitzte und donnerte so kurz hintereinander, dass man den Eindruck hatte, es passiere gleichzeitig. Das grelle Licht erhellte einen Ozean, der sich in hellem Aufruhr befand. Rund um das Schiff bäumten sich turmhohe Wellen auf.
    »Sie haben mir noch nicht erzählt, wie Sie Schmugglerin geworden sind«, fuhr Phoebe fort.
    »Stimmt, hab ich nicht«, sagte Jules und stemmte sich aus dem Sessel. »Machen Sie sich keine Sorgen, Phoebe, alles wird gut«, sagte sie im Fortgehen. »Der einzige Grund,
warum Sie hier auf diesem Schiff sind, ist, dass Sie schnell und schlau genug waren. Sie werden bestimmt ein bisschen von Ihrem alten Geld in Sicherheit bringen können und

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