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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zielen, schießen, laden. Immer wieder, bis sie es draufhaben. Unsere Verfolger werden uns vielleicht nie erreichen, aber
wenn es doch passiert, dann wollen wir ihnen einen heißen Empfang bereiten.«
    »Wir werden sie allesamt auf Vordermann bringen, Miss Julianne«, versicherte Shah. »Bei der Trainingsstunde vor dem Sturm haben sie sich schon sehr gut angestellt. Sie wissen, worauf es ankommt. Und sie wissen auch, was sie erwartet, wenn die Piraten unser Schiff erobern. Deshalb werden sie kämpfen. Alle. Sogar die Kinder, wenn Sie das zulassen.«
    Sie warf Miguel einen Blick zu. Tiefe Ringe unter den Augen gaben ihm ein gespenstisches Aussehen in dem dämmrigen Licht des Medienraums. Die Jacht hob und senkte sich und rollte, und er musste sich an der Armlehne festhalten. Seine Knöchel verfärbten sich weiß vor Anstrengung.
    »Ich habe mit meiner Frau und den Alten darüber gesprochen«, sagte er. »Wir haben uns darauf verständigt, dass nur die Kleinsten mit Ana und einem der Mannschaft in das Beiboot gehen, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte. Die anderen bekommen Munition, und wer eine Waffe betätigen kann, darf das auch tun.«
    Im Zwielicht des Raums war es schwer zu erkennen, aber Jules hatte den Eindruck, dass er kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
    »Mein Töchter werden kämpfen«, sagte er. »Sie müssen. Besser sie sterben schnell, als dass sie jahrelang als Sklaven in irgendeinem peruanischen Drecksloch dahinvegetieren müssen.«
    »Miguel«, sagte Jules so sanft wie möglich, »ich habe Ihnen eine sichere Überfahrt versprochen. Die Mädchen müssen nicht kämpfen. Wenn die Viarsa uns zu nahe kommt, können wir sie ins Beiboot setzen, zusammen mit Lars oder Dietmar und Oma Ana. Damit können sie jeden Verfolger abschütteln.«
    Miguel lächelte traurig.

    »Und was dann, Miss Julianne? Wie weit sind wir vom Festland entfernt? Einen Sturm wie diesen hier würden sie nicht überleben. Und sie würden garantiert von so einem Wetter überrascht werden. Sie haben versprochen, für unsere Sicherheit zu sorgen, aber für die Wetterbedingungen können Sie nichts und auch nicht dafür, dass diese Piraten hinter uns her sind.«
    Shah schlug sehr laut die Hände zusammen.
    »Schluss mit diesem Gerede! Das schwächt uns nur. Wie vielen von diesen Idioten sind wir bislang schon begegnet? Das sind doch nur verzweifelte, dumme Fischer, die Piraten spielen. Soll ich Ihnen sagen, was passiert, wenn die hier längsseits gehen? Wir werden sie fertigmachen und ihre Vorräte übernehmen.«
    »Hurra!«, rief Fifi und grinste breit. »Das ist die richtige Einstellung!«
    Julianne lehnte sich gegen eine Sessellehne und hielt sich fest, als die Aussie Rules sich erneut daranmachte, einen Wellenberg zu erklimmen. Sie schaute auf den Bildschirm, um nachzusehen, ob sie den Radarkontakt mit der Viarsa verloren hatten. Das Blinkzeichen, das auf ihre Verfolger hinwies, war tatsächlich verschwunden, aber sicher nur deshalb, weil sie in einem Wellental waren. Der Seegang war hoch genug, um beide Schiffe für den jeweils andern komplett verschwinden zu lassen.
    »Okay«, sagte Jules. »Shah hat Recht. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt, werde ich mit meiner König-Heinrich-Routine beginnen.«
    »Verzeihung, Miss Julianne, was meinen Sie denn damit?«
    »Eine kleine Anspielung auf Shakespeare. Bevor mein Vater das Tafelsilber der Familie verzockt hat, kam ich in den Genuss einer klassischen britischen Schulausbildung: ›So geht er los und sichtet seine Heere … das königliche Antlitz frei von Angst, obwohl von schrecklichen Feinden umringt.‹«

    Der Mexikaner war ein intelligenter Mann, aber sie merkte, dass er damit nichts anfangen konnte.
    »Keine Panik, Miguel«, sagte Fifi keck. »Manchmal gerät sie ein bisschen ins Grübeln, das geht wieder vorbei. Ihren Mädchen wird nichts passieren. Ich werde mir ganz persönlich jeden vornehmen, der die Absicht hat, sich ihnen zu nähern.«
    »Sie sind so kämpferisch, Miss Fifi, und haben dennoch ein gutes Herz«, sagte Miguel. »Aber wenn es ganz schlimm kommt, werde ich mich selbst um meine Familie kümmern.«
    »Das reicht«, rief Shah aus und klatschte erneut lautstark in die Hände.
    »Er hat Recht«, stimmte Jules zu. »Wir sollten uns ausruhen.«
    Ihr Rundgang dauerte eine ganze Stunde. Auf allen Decks kam sie nur langsam voran, musste sich an den Treppengeländern festhalten, weil die Jacht noch immer hochgerissen wurde und tief nach unten fiel oder heftig ins

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