Der Effekt - Roman
Salas?«
Stavros schien den Atem anzuhalten. Musso sprach weiter.
»Sagen Sie Ihrem dämlichen Presidente, dass wir, wenn er unsere Bedingungen nicht akzeptiert, seine größten Bevölkerungszentren in Venezuela bis spätestens heute Abend dem Erdboden gleichmachen werden.«
Salas wurde blass.
»Da… darüber muss ich erst mit meinen Vorgesetzten sprechen.«
»Tun Sie das.«
Da Tommy Franks wieder zurück war, konnte Admiral Ritchie die meisten Anfragen in politischer Hinsicht, die er kürzlich noch selbst bearbeiten musste, an seinen Vorgesetzten weiterreichen, wofür er sehr dankbar war. Es war ihm sogar gelungen, mehr als vier Stunden zu Hause zu verbringen und das erste Mal seit einer Woche mit seiner Frau zusammen zu essen und mit seiner Tochter zu telefonieren. Nancy wohnte jetzt bei Kommilitoninnen in Edinburgh, was eindeutig besser war, als in einem amerikanischen Flüchtlingscamp im Süden von England zu sitzen. Vor allem bedeutete es, dass Ritchie sich um einige persönliche Angelegenheiten keine Sorgen mehr machen musste und sich auf seine beruflichen Aufgaben konzentrieren konnte.
Er hatte alle Hände voll zu tun, die Flüchtlingsströme im Pazifik zu koordinieren und die strategische Situation in Asien zu überwachen. Letzteres bedeutete genau genommen, den Zusammenbruch von China und anderen Staaten im Nordosten des Kontinents zu beobachten und darauf zu hoffen, dass es nicht noch schlimmer kam. Seine Möglichkeiten, den Gang der Dinge dort zu beeinflussen, schwanden rapide. Er konnte die pazifische Flotte nicht mehr sehr lange halten, nicht einmal mithilfe von Verbündeten wie den Japanern, die selbst schon am Rand des Abgrunds standen.
Aber Mussos Schachzug hatte ihn wieder mitten in die politischen Ränkeschmiede befördert. Fragte sich nur, ob er der Richtige war, eine derartige strategische Entscheidung zu treffen.
Warum um den heißen Brei herumreden? Es ging darum, ob er einen Atomschlag anordnen sollte.
Er stand mit Franks im Hauptquartier der vereinigten pazifischen Streitkräfte, und sie hörten sich Mussos letzte Botschaft über Kopfhörer an. Das Zimmer war weitläufig und altmodisch eingerichtet. Die Zentrale hätte in einigen Monaten in ein moderneres Gebäude umziehen sollen. Vielleicht würde das ja sogar noch stattfinden. Wahrscheinlich aber nicht. Im Augenblick standen die beiden Offiziere leicht nach vorn gebeugt da und hörten auf die Stimme ihres Kameraden.
»Ich denke nicht, dass wir es zulassen dürfen, dass sie Tausende von Gefangenen als Druckmittel einsetzen«, sagte Musso. »Sie werden die Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen, das ist sicher. Entweder wir zeigen ihnen, dass mit uns nicht zu spaßen ist, oder sie tanzen uns auf der Nase herum. Nach Guantánamo werden sie den Panamakanal einnehmen. Sie müssen dort noch nicht einmal einmarschieren. Sie fangen einfach an, jede Stunde eine Geisel zu töten, wenn wir nicht abziehen. Genau darauf wird es wahrscheinlich hinauslaufen.«
Ritchie stimmte dieser Einschätzung zu, wollte aber Franks Meinung zuerst hören.
Der General sah noch unglücklicher aus als sonst, was einiges aussagte. Der Vorsitzende der vereinigten Streitkräfte war aus dem Nahen Osten mit tiefen Augenringen und hohlwangig zurückgekehrt. Seine Haut war schlaff geworden, er hatte deutlich an Gewicht verloren.
»General, ich weiß nicht einmal, ob unsere Atom-U-Boote überhaupt reagieren, wenn sie den Befehl bekommen, Venezuela anzugreifen«, sagte Franks. »Nur der Präsident
kann das anordnen. Was meinen Sie dazu, Jim?« Er wandte sich an Ritchie.
Ritchie schüttelte den Kopf.
»Ich hatte selbst schon darüber nachgedacht, ob ich meine Leute auf den Atom-U-Booten dazu bringen muss, das Protokoll zu missachten, um China in seine Schranken zu weisen, aber das war dann nicht mehr nötig. Ich habe keine Ahnung, ob sie auf meinen Befehl gehandelt hätten. Nur der Präsident der Vereinigten Staaten darf so etwas anordnen. Die zuständigen Kommandanten sind angewiesen, auf einen entsprechenden Befehl von anderer Seite nicht zu reagieren. Wir wissen nicht, was im Fall der Fälle passieren würde.«
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden«, sagte Musso.
Salas saß in seinem Büro und starrte düster aus dem gezackten Loch in der Wand, das gestern noch ein Fenster gewesen war. Lieutenant Colonel Stavros war sitzen geblieben und hatte ihn die ganze Zeit über feindselig angeschaut. Er entspannte sich nur leicht, als Musso aus
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