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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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aber er musste an das Frachtflugzeug mit den vielen Menschen an Bord denken, das in der Nacht abgeschossen worden war. Hunderte von Kindern waren ums Leben gekommen. Der Anblick des Wracks und der vielen Leichen war so schrecklich gewesen, dass er sein Leben lang nicht darüber hinwegkommen würde. Welche grauenhaften Ängste hatten diese armen Opfer wohl ausstehen müssen in ihren letzten Minuten?
    Wenn er eine Waffe bei sich getragen hätte, wäre der venezolanische General womöglich nicht lebend aus diesem Raum gekommen.
    »Sprechen Sie bloß nicht von Ehre«, sagte er langsam und sprach dabei jedes Wort besonders deutlich aus. »Ich habe gesehen, was Sie unter Ehre verstehen. Für Sie ist es nichts weiter als ein zerfleddertes Leichentuch, hinter dem Sie Ihre Grausamkeit und Anmaßung verstecken. Ich scheiße auf Ihre Ehre, General Salas. Und jetzt hören Sie endlich auf, solchen Schwachsinn zu reden, und tun Sie etwas Vernünftiges.« Er schaute demonstrativ auf die Uhr. »Die Zeit wird nämlich langsam knapp.«
    Salas blickte ihn finster an wie eine Schlange, die überlegt, ob es sich lohnt, einen Skorpion zu verspeisen.
    »Wie lange werden Ihre Zivilisten, es dürften wohl an die viertausend Personen sein, wohl überleben, wenn sie ins Kreuzfeuer geraten?«
    Musso lachte höhnisch.
    »Diese Menschen befinden sich in Ihrer Obhut, General. Ich würde Ihnen raten, sich um ihre Sicherheit zu kümmern. Sie und alle Männer unter Ihrem Kommando werden persönlich für ihr Schicksal haften. Sie wollen mir erzählen, dass die Dinge sich geändert haben, und Sie haben
Recht. Es wird keine diplomatische Lösung in dieser Frage geben, keine Konsultationen des UN-Sicherheitsrats, keine Kulissenschieberei. Wenn Sie ihnen etwas zuleide tun, werden Sie sich dafür verantworten müssen. Und Ihr Land wird dem Erdboden gleichgemacht.«
    »Sie überschätzen Ihre Möglichkeiten, General Musso. Sie sind nicht mehr die Großmacht, die Sie mal waren.«
    »Nein, das sind wir nicht mehr«, entgegnete Musso grimmig. »Jetzt sind wir viel gefährlicher.«
     
    »Zielweg aktiv, Route landeinwärts«, erklärte einer der Offiziere. »Eine Minute bis zum Einschlag.«
    Ritchie schaute auf den linken Bildschirm, auf dem das Panorama von Caracas zu sehen war, aufgenommen vom Dach der amerikanischen Botschaft. Die Hauptstadt von Venezuela lag in einem Tal in den Kordilleren, vom Meer getrennt durch den fünfzehn bis achtzehn Kilometer breiten Streifen des Nationalparks. Ein zweiter Bildschirm zeigte das Karibische Meer aus der Perspektive des internationalen Flughafens, der ein Stück weiter entfernt nahe der kleinen Stadt Maiquetia an der Küste lag. Es war ein schöner, idyllischer Anblick mit kleinen Booten, die im blauen Wasser lagen. Ritchie fragte sich, ob am Strand wohl Menschen waren, die die frische Meeresbrise genossen. Er konnte sich nicht erinnern, dass es in Caracas irgendwelche berühmten Strände gab. Die Botschaft hatte mitgeteilt, dass die Straßen der Hauptstadt nicht übermäßig belebt seien, allerdings zeige das Militär besondere Präsenz. Es gab keine Anzeichen für Gewalt oder Aufruhr, wie es in anderen Ländern Südamerikas oder Europas der Fall war.
    Niemand in der Kommandozentrale sagte etwas. Ritchie spürte das Pochen seines Blutes in den Adern.
    Es kam ihm geradezu pervers vor, dass er eine Atomrakete auf den Weg gebracht hatte. Es konnte einfach nicht wahr sein.

    Um sieben Uhr und sechs Minuten ging eine zweite Sonne über dem Horizont von Maiquetia auf, als drei grelle Blitze zwanzig Meilen vor der Küste explodierten.
    »Alle Sprengköpfe gezündet.«
     
    Der venezolanische General sah sehr krank aus, als er den Hörer auflegte.
    »F-freies Geleit ist g-garantiert, General Musso«, stotterte er. »Aber damit ist die Angelegenheit nicht erledigt. Meine Regierung legt Wert auf die Feststellung, dass es damit nicht vorbei ist.«
    »Sie sollten sich besser damit abfinden«, entgegnete Musso und stand auf. »Das nächste Mal werden es keine Warnschüsse sein. Guten Tag.«

49
    Paris, 16. Arrondissement
    Caitlin schlängelte sich durch den Kriechspeicher unter dem Dach und kämpfte mit einem Ekelanfall. Die Dachaufbauten waren aus hundert Jahre alten Holzbalken, die durch ihre geliehene Nachtsichtbrille grün schimmerten. Sie hatte drei Tage Zeit gehabt, gesund zu werden, nachdem sie aus ihrer Zelle befreit worden war, aber zwei Tage davon war sie mit Rolland und seinem kleinen Team unterwegs gewesen. Auf der

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