Der Effekt - Roman
eines Schiffes befand, war diese Jacht hier so großzügig angelegt, dass man glauben konnte, man sei in einem europäischen Luxushotel mit Meeresblick gelandet. Auf Hochglanz polierte rotbraune Holzverkleidung an den Wänden, Einfassungen aus Messing blitzten auf, dicke Teppiche bedeckten den Fußboden. Nachdem sie ihre Überraschung verwunden hatten, gingen
sie weiter, und Jules konnte hier und da einen Blick in prunkvolle Gemächer werfen, in denen antike Tische, Schränke und mächtige Ohrensessel standen. An allen Wänden hingen Ölgemälde, hier eins mit einer Szene aus dem australischen Busch, dort das Porträt von vier weißen Hunden. Eine Treppe verband die Decks im Innern untereinander, überall sah es aus wie in einem französischen Château oder einer italienischen Villa.
Jules zählte weitere sieben Kleiderhaufen und die dazugehörige organische Flüssigkeit, während sie weitergingen.
Fifi schien von der Umgebung so sehr beeindruckt zu sein, dass sie ihre Angst und ihren Ekel für den Augenblick vergaß.
»Mann, das hier ist wie ein Hotel«, stellte sie fest. »Ein richtiges Hotel, nicht so eine kleine Klitsche. Hier sieht es aus wie im Holiday Inn.«
»Hereintreten bitte«, sagte Jules und führte sie in ein Privatkino mit zwei Reihen von roten Plüschsesseln vor einem überdimensionalen Fernsehbildschirm. Gott sei Dank lagen hier keine weiteren fauligen Kleiderreste herum.
»Was meinst du, Pete, kannst du uns hier ein kleines Hollywood per Video auf den Bildschirm zaubern?«
»Auf diesem Schiff gibt es garantiert fünfhundert Kanäle, davon kannst du ausgehen«, sagte er und deutete mit einer kleinen schwarzen Fernbedienung auf den Bildschirm. Mit lautem Dröhnen ging das Gerät an, und alle drei zuckten zusammen.
»Nachrichten wären nicht schlecht.«
»Okay, aber jetzt drängt mich nicht«, sagte er. Nach einigem Herumprobieren fand er den BBC World Service, was unschwer an der elektronischen Markierung in der Ecke des Bildschirms zu erkennen war.
»… brach aus zwischen der Polizei und den größtenteils muslimischen Bewohnern der Vorstädte, nachdem ein Mann
verhaftet worden war, weil er Autos angehalten und die Insassen aufgefordert hatte, an den Feierlichkeiten teilzunehmen.«
»Um was zum Teufel geht es denn da?«, fragte Fifi.
Jules nahm Pete die Fernbedienung aus der Hand und drückte den Ton leiser und suchte dann nach einer Programmliste.
»Das war das letzte Mal auch so.«
»Das letzte Mal?«
»Am 11. September.«
»Na großartig«, sagte Pete, als sich der riesige Sony-Bildschirm mit Bildern von brennenden Autos und Geschäften füllte. »Wir müssen uns ranhalten, bevor uns jemand unsere Beute unterm Arsch wegklaut.«
Fifi, die sich jetzt wieder im Griff hatte, zuckte mit den Schultern und strich mit der Hand über ihre abgesägte Schrotflinte. »Das sollen die mal versuchen.«
»Könnte ja sein, dass sie besser bewaffnet sind«, fügte Pete hinzu.
Mr. Lee schaute sich die Kontrollschalter im Cockpit an und schüttelte traurig mit dem Kopf. Dann sagte er paradoxerweise: »Ja, das kriegen wir schon hin. Aber nicht sehr lange. Wir brauchen Unterstützung.«
Pete nickte. Sie hatten inzwischen auch die unteren Decks inspiziert, vor allem den Maschinenraum, in dem es weißer und sauberer war als in den Kabinen, wenn man mal von den auf dem Boden liegenden Überresten der Crewmitglieder absah. Blendete man die aus, sah es hier unten aus wie in einem Mikrochip-Unternehmen in Taiwan. Kein Staubkorn oder Fettspritzer, wo man auch hinschaute. Im Augenblick lief die Jacht perfekt und folgte einem programmierten Kurs Richtung Süden, aber die Maschine war so groß und kompliziert, dass sie sehr wahrscheinlich nicht damit klarkämen, wenn Probleme auftauchten.
Pete erlaubte sich kurz eine Art Captain-Kirk-Gefühl, als er im überaus bequemen Drehstuhl des Kommandanten Platz nahm, während Fifi und Jules sich auf einer Bank im hinteren Teil der Kabine ausruhten. Das Licht des späten Nachmittags flutete durch die breite Fensterfront herein und verlieh allem einen warmen goldenen Schimmer. Insgesamt fühlte sich ihre Situation eher an, als würden sie sich im Bellagio Hotel in Las Vegas entspannen, als eine Schiffsentführung in die Wege leiten.
»Wir könnten uns eine Crew besorgen«, sage Pete. »Ich kenne ein paar Leute in Acapulco und in Panama. German Willy ist immer noch in der Kanalzone unterwegs. Und Stan Lusevic und Shoeless Dan.«
»Um Gottes willen, Pete«,
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