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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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innerhalb ihrer Ausdehnung zerstört. Alle sind weg. Manche sind ganz einfach zu Brei geworden.«
    »Primaten?« Euler schaute ihn entgeistert an. »Zu Brei?«
    »Kurz bevor ich abgeflogen bin, waren das die letzten Nachrichten auf CNN. Ein japanischer Blogger, der sich in
die Webcams des Zoos von San Diego eingeklinkt hat, berichtete, dass alle Affen weg sind. Nach dieser Erkenntnis war es nicht mehr schwer, das Prinzip zu verstehen.«
    »Heilige Scheiße«, stieß der Leutnant mit belegter Stimme hervor, die in völligem Gegensatz zu seinem martialischen Aufzug stand. Melton wusste ganz genau, was jetzt in ihm vorging. Er hatte die gleiche Reaktion schon mehrfach an diesem Tag beobachtet. Leutnant Euler zählte seine Verluste. Die Kinder, der Partner, falls er sie hatte. Mutter und Vater, sofern vorhanden. Brüder, Schwestern, alte Freunde, neue Freunde, Nachbarn, Gesichter auf der Straße, wo er einst gewohnt hatte, auch wenn er ihre Namen nicht gekannt hatte. Ehemalige Freundinnen. Klassenkameraden. Ein riesiger Kreis von Menschen, die alle zu seiner persönlichen Lebensgeschichte gehörten, und alle waren sie in einem einzigen wahnwitzigen Moment verschwunden, als die Gesetze der Physik verdreht worden waren. Jeden Augenblick konnte er stehen bleiben und sich umschauen wie ein Kind, das in einem fremden Zimmer aufwachte und herauszufinden versuchte, wo es war und wohin all die Dinge gehörten, die es erblickte.
    Jetzt.
    »Es tut mir leid«, sagte Melton, aber Euler schüttelte den Kopf.
    »Das ist doch irre«, stieß er hervor. »Alle sind weg?«
    »So gut wie alle. Seattle existiert noch. Alaska auch. Und ein paar Orte in Kanada. Aber das war’s dann auch.«
    »Oh, Mann, scheiße, und jetzt stehen wir da …«
    Sie traten in ein großräumiges Zelt, eins von der moderneren Sorte, in dem es sogar Steckdosen und Lampen gab. Es war wesentlich angenehmer als das GP Medium, in dem er während des Koreakrieges viel Zeit verbracht hatte. Melton bemerkte, dass die anwesenden Männer ziemlich angespannt waren. Ihren Gesichtern nach zu urteilen, waren sie es gewohnt, mit dem Schlimmsten zu rechnen,
sahen sich nun aber einer völlig neuen, absolut katastrophalen Situation gegenüber. Er wäre beinahe zurückgeprallt, als er sah, wie konzentriert und erwartungsvoll sie ihn alle anblickten. Am liebsten hätte er auf den Absätzen kehrtgemacht.
    »Treten Sie ein, meine Herren. Die Zeit drängt, Bret.«
    Melton nickte Captain Christian Lohberger zu, dem Kommandanten der 5. und 7. Kavallerie des Bravo Troop, der einzige Mann im Zelt, der ihn so gut kannte, dass er ihn gleich mit Vornamen ansprach. Alle anderen nannten ihn Sir oder Mr. Melton. So respektvoll angesprochen zu werden, war eine späte Genugtuung für ihn, denn damals, als Ranger, hatte er sich ständig »Hooah!«, den Kampfschrei seiner Truppe, aus unbefugtem Mund anhören müssen. Viele Deppen, die niemals Rangers waren und auch nicht das Zeug dazu hatten, fanden es witzig, ihn damit zu nerven. Als ehemaliger Frontsoldat hatte es ihn eine Weile ziemlich amüsiert, das hochgestochene »Sir« zu hören. Aber jetzt war nicht der Moment, sich über irgendetwas zu amüsieren.
    »Ich nehme an, dass Sie mich nicht deshalb hierherbestellt haben«, sagte er.
    Lohberger schüttelte den Kopf und kam sofort auf das Thema zu sprechen: »Nein. Wir hören nur völlig diffuses Zeug von den anderen Divisionen. Als wollte man uns hinhalten. Was, zum Teufel, ist denn nun passiert?«
    Melton stellte seine Tasche neben dem Klapptisch auf den Boden. Auf der Tischplatte lag eine Karte, auf der das Grenzland zwischen dem Irak und Kuwait zu sehen war. Darauf waren eine Vielzahl von roten und blauen Linien eingezeichnet, außerdem Markierungen an den Stellen, wo sich US-Einheiten befanden. Die Gesichter der im Zelt anwesenden Männer blickten ihn grimmig an.
    »Also«, begann er, »ich kann nur das berichten, was ich bis kurz vor meinem Abflug erfahren habe …«

    Während Bret Melton erzählte, was er wusste, ging Lohbergers Adjutant los, um den Geschwader-Kommandanten zu holen.
    »Heilige Mutter Gottes«, stieß Sergeant Major Bo Jaanson aus, ein knorriger Klotz wie aus altem Holz, der aussah, als hätte er schon die Nazis am Westwall bekämpft. Melton gab ihnen eine knappe Zusammenfassung von dem, was er beim Zappen durch sämtliche Nachrichtenkanäle Europas und Asiens zusammengetragen hatte. Am Ende brachte er die Meldung von den verschwundenen Affen, die letzte, die er mitbekommen

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