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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Aufstand. Ein normaler Mensch hätte gebremst, aus Angst, einen Fußgänger zu verletzen oder gar zu töten, selbst wenn es gleichzeitig Pflastersteine und zerbrochene Ziegel hagelte. Caitlin biss die Zähne zusammen und duckte sich hinter das Lenkrad, um wenigstens das bisschen Deckung auszunutzen, das es bot. Der Volvo schoss direkt auf eine Gruppe von Jugendlichen zu, die die Straße versperrten. Sie hupte nicht und winkte sie auch nicht zur Seite. Sie fuhr einfach auf sie zu, wobei sie kontinuierlich die Geschwindigkeit erhöhte. Die Mutigeren oder Dümmeren unter ihnen warfen noch ein paar Steine auf sie, aber sie trafen nicht. Dann stoben die jungen, durchweg dunkelhäutigen Männer auseinander, um Schutz am Straßenrand zu suchen. Einer von ihnen, dessen Kopf mit einem schwarz-weißen Palästinensertuch verhüllt war, sprang zu spät zur Seite. Er wurde vom Kotflügel erfasst und gegen den Lieferwagen eines Gemüsehändlers geschleudert. Sein Schmerzensschrei verhallte hinter ihnen und wurde vom Lärm des aufheulenden Motors übertönt.
    »Was ist denn los hier? Was wollen die?«, schrie Monique verzweifelt auf.
    »Araber«, rief Caitlin über das Rauschen des Fahrtwinds hinweg. Es waren Jugendliche aus den Vorstädten, die normalerweise in der Stadt selbst nie in solchen Massen auftauchten. Nach wenigen irrwitzigen Augenblicken hatte
der Wagen die Konfrontation hinter sich gebracht, und die Straße war wieder frei. Caitlin bog in einen Kreisel ein und nahm von dort aus die Abzweigung, die sie möglichst weit weg vom Ort der Auseinandersetzung führte. Sie versuchte das Gesehene einzuordnen, um zu verstehen, was hier vor sich ging, und herauszufinden, ob sie es für ihre Zwecke nutzen konnte. Das war nicht nur Randale gewesen, das hatte schon beinahe nach einer handfesten Auseinandersetzung ausgesehen. Die Menge, etwa siebzig bis hundert Personen, hatte sich ungefähr gleichmäßig aufgeteilt in weiße Männer und Frauen und afrikanisch oder arabisch aussehende Jugendliche. Letztere waren ausschließlich Männer gewesen, soweit sie das beurteilen konnte. Der Stein war eher zufällig auf ihrem Wagen gelandet. Vielleicht hatte ihn ja einer von den Betrunkenen geworfen, denen sie und Monique kurz zuvor begegnet waren. Möglicherweise waren sie auf eine Horde muslimischer Hooligans gestoßen, die bekifft oder ebenfalls betrunken auf sie losgegangen waren. Caitlin wusste aus eigener Erfahrung, dass die Pariser Moslems entgegen anderslautender Beteuerungen einem guten Schluck Alkohol nicht abgeneigt waren.
    Aber das erklärte trotzdem nicht, warum sie sich so weit in die Innenstadt gewagt haben, dachte sie.
    Ein kurzer Blick auf den Navigator zeigte ihr, dass sie sich nur wenige Ecken vom Parc de Choisy befanden, in dem Caitlin sich ganz gut auskannte. Hier hatte sie schon mal einen Auftrag erledigt. Dabei war es darum gegangen, einen Beamten des französischen Wirtschaftsministeriums auszuschalten, der perfekt gefälschte Endverbraucher-Zertifikate für eine ostasiatische muslimische Terrorzelle verkauft hatte, damit die sich auf dem legalen Markt mit Waffen eindecken konnte.
    »Das waren noch Zeiten«, seufzte sie.
    Sie bog auf die Avenue Edison ein und fuhr den Park entlang Richtung Rue Charles-Moreau. Sie musste den
Volvo so schnell wie möglich loswerden. In der kurzen Zeit, in der sie ihn gefahren hatte, war er schon ziemlich ramponiert worden und würde bestimmt über kurz oder lang die Aufmerksamkeit der Gendarmerie erregen. Neben ihr auf dem Beifahrersitz saß Monique, bedeckt mit zahllosen kleinen Glaskristallen. Sie hatte sich zusammengekrümmt und zitterte wie Espenlaub. Im gelben Schein der Straßenlaternen wirkte sie klein, erschöpft und kränklich. Caitlin schaltete zurück und brachte den Wagen unter einer ausladenden Eiche zum Stehen, deren Zweige mit zahllosen Knospen übersät waren.
    »Los, komm«, sagte sie. »Wir müssen aussteigen.«
    »Nein«, sagte die Französin mit dünner Stimme.
    »Na schön, wenn du hier sterben willst, soll’s mir recht sein. Wenn sie dich nicht hier fertigmachen, dann in Noisy-le-Sec.«
    Monique schaute sie mit leerem Gesicht verständnislos an.
    »Da ist ein altes Kastell. Es wird von euerm Geheimdienst betrieben. Ich bin da mal für eine gewisse Zeit gewesen, vor Jahren. Ziemlich übel. Glaub mir, den Ort willst du bestimmt nicht kennenlernen. Von mir aus kannst du hier sitzen bleiben, aber ich hau ab.«
    Sie griff nach der Handtasche, die die Besitzerin des

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