Der Effekt - Roman
Mann am Tisch direkt neben ihr schlürfte eine Suppe, in der große weiße Fischstücke und schwarze Miesmuscheln schwammen. Er riss sich kleine Stücke von seinem Baguette ab und tunkte sie in die Brühe und trank dazu Wein aus einer Flasche ohne Etikett. Caitlin spürte, wie ihr Magen knurrte und ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Ihr Kaffee wurde serviert, als Monique an den Tisch zurückkam.
»Es gibt einen Waschraum. Man muss durch die Küche gehen, und normalerweise sehen sie das nicht gern, aber ich hab ihnen erzählt, bei dir wäre Krebs diagnostiziert worden, und da haben sie eingelenkt.«
Caitlin dankte ihr mit einem schwachen Lächeln.
»Niemand will einer Krebskranken das Leben schwermachen. Gut gemacht, Monique. Du lernst schnell.«
»So ist es«, nickte Monique. Sie schien geschmeichelt zu sein. »Die Toilette ist in einem Nebengebäude in einem Hof, von dem aus man in eine Seitenstraße kommt. Die Straße geht in beide Richtungen, sie verbindet die Rue Bobillot und die Rue Moulin-des-Prés.«
»Super. Du könntest direkt einen Beruf daraus machen.«
Caitlin rührte etwas Zucker in den Espresso und trank ihn in einem Zug aus.
»Ich habe noch was zu essen bestellt, Croque Monsieur«, sagte Monique. »Ich dachte mir, dass du wahrscheinlich was Leichtes möchtest.«
»Und was schnell geht«, fügte Caitlin hinzu und senkte die Stimme: »Wir müssen so rasch wie möglich zu unserer Wohnung. Ich muss unbedingt versuchen, jemanden von meiner Firma anzurufen.«
Zwei Strohkörbe wurden serviert, in denen zwei geröstete Toasts mit Schinken, Gruyère-Käse und Senf lagen. Dazu gab es zwei Gläser und eine Flasche mit dem Hauswein, einem namenlosen Vin blanc. Monique goss ihr Glas voll und trank es in zwei Schlucken aus, bevor sie Caitlins Glas füllte und ihr eigenes zum zweiten Mal. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die rot und geschwollen waren, weil sie geweint hatte. Ihre Hand zitterte, als sie einschenkte, aber nicht so sehr, dass sie etwas verschüttet hätte. Caitlin nahm einen Schluck vom Wein, war aber mehr am Essen interessiert. Das Brot war in Ei gewendet und dann in Butter geröstet worden, der Käse floss an den Seiten heraus. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie von dem scharf gewürzten Toast abbiss. Im Moment kam es ihr vor, als sei es das köstlichste Essen, das sie je bekommen hatte. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und jeden Bissen einzeln genossen, aber sie war darauf trainiert, pausenlos ihre Umgebung
abzusuchen, und zweifellos war es wichtig, den Eingang des Cafés im Blick zu behalten. Tatsächlich aber war nichts Beunruhigendes zu sehen.
Fünf Minuten lang aßen sie schweigend und tranken ihren Wein. Zwischen ihnen stand unausgesprochen, aber dennoch deutlich spürbar die Frage, was mit Moniques Freunden geschehen war. Sie hatte nicht mehr nach ihnen gefragt, aber Caitlin merkte, dass sie über ihr Schicksal nachdachte. Es erschien ihr nicht sinnvoll, das Thema anzusprechen, jetzt, nachdem Monique sich endlich beruhigt hatte. Dafür hatten sie später noch Zeit. Vielleicht.
Sie bestellte einen weiteren Kaffee, bat um die Rechnung und legte das Geld auf den Tisch. Ihren Wein trank sie nicht aus. Schon nach wenigen Schlucken spürte sie ein leichtes Schwindelgefühl. Es wäre schön gewesen, hier noch ein paar Stunden sitzen zu bleiben, zu trinken und Gitanes zu rauchen und so zu tun, als wäre alles in schönster Ordnung. Aber Caitlin zwang sich aufzustehen, nachdem sie den zweiten Espresso ausgetrunken hatte.
»Los«, sagte sie. »Wir müssen.«
Caitlin ging voran, durchquerte die Küche zum Hinterausgang. Der Wirt nickte ihnen zu, schüttelte traurig den Kopf angesichts der hübschen jungen krebskranken Frau, aber dann wandte er sich mit mehr Elan den auf dem Tisch hinterlassenen Geldscheinen zu.
Die Küche war eng und vollgestellt, Regalwände reichten bis unter die Decke. Eine Frau mit einer schmutzigen Schürze schaute sie missbilligend an, wurde aber vom Wirt, der offenbar ihr Ehemann war, mit einem Blick zum Schweigen gebracht.
Caitlin schloss ganz kurz die Augen, bevor sie die Hintertür aufstieß, die auf einen kleinen Parkplatz führte. Eine einsame blasse Laterne beleuchtete den Innenhof, in dem zwei Autos und ein ramponierter Lieferwagen standen. Sie hatte ihre Waffen so eingesteckt, dass sie sie
leicht erreichen konnte, aber es gab keine Anzeichen von Gefahr.
»So wie’s aussieht, ist die Luft rein«, sagte sie zu Monique.
Zwei
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