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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Ecken weiter stießen sie auf ein paar Fahrräder, die an einem Eisengitter vor einem weißen Wohnhaus im maurischen Stil angeschlossen waren. Caitlin blieb stehen und überlegte, wie sie die Schlösser knacken könnte. Monique trat zu ihr.
    »Bitte, Cathy … ich meine Caitlin. Fahrräder? Schau sie dir doch mal an. Das sind nicht gerade die teuersten Modelle, oder? Die Leute, denen die gehören, benutzen sie, weil sie sich kein Auto leisten können. Bitte klau sie nicht. Sie sind garantiert nicht versichert. Damit fügen wir anderen Leuten nur Schaden zu.«
    Caitlin war kurz irritiert von diesem Lamento, merkte dann aber, dass sie sich ziemlich schlecht fühlte. Ihr wurde klar, dass sie auf Monique angewiesen war, wenn sie die nächsten Tage überstehen wollte. Es war besser, ihr zu zeigen, dass sie sie ernst nahm, auch wenn sie dann nicht mehr so leicht manipulierbar war und wahrscheinlich ziemlich bald zu nerven begann.
    »Also gut«, lenkte sie ein. »Keine Fahrräder. Aber wir brauchen einen fahrbaren Untersatz. Wenn sie uns zu Fuß erwischen, sind wir tot.«
    Sie gingen weiter Richtung 14. Arrondissement. In der Butte aux Cailles, einer Einbahnstraße, kamen ihnen Autos entgegen, in denen wohlhabende junge Pariser saßen, die auf dem Weg in die einschlägigen Bars und Restaurants waren, als wäre dies ein ganz gewöhnlicher Frühlingsabend. Die Gebäude hier waren kleiner, hatten schräge Dächer und beherbergten Boutiquen, Trend-Lokale und exklusive Klubs, was in deutlichem Kontrast zu den billigen, schmutzigen Klamotten der beiden Frauen stand, die vorbeieilten. Einige Buchläden waren noch geöffnet,
und am Straßenrand standen Apfelbäume, deren rosa Blüten einen süßlichen Duft verströmten. Die Gehwege vor den Cafés und Bistros waren vollgestellt mit kleinen runden Tischen, auf denen makellos weiße Tischtücher lagen. An ihnen saßen Liebespaare, Gourmets und Flaneure. Moniques zahllose Buttons mit radikalen Parolen und ihre geflickten Kleider provozierten vernichtende Blicke und hämische Kommentare. Caitlin bemühte sich, so neutral wie möglich dreinzublicken, aber irgendetwas an ihr schien die Leute zu verunsichern. Sie bemühten sich, ihrem Blick auszuweichen, und keiner traute sich, eine Bemerkung über ihre blutbefleckten Hosen oder ihre schwere Lederjacke fallenzulassen.
    Zwei Streifenwagen und ein Krankenwagen rasten vorbei, und Caitlin sah sich gezwungen, Monique am Arm zu nehmen und ihr zuzuflüstern, sie solle »cool bleiben«. Es war klar, dass sie in dieser Gegend viel zu sehr auffielen. Vielleicht wäre es besser, in eine Seitenstraße auszuweichen, überlegte sie, aber ihr GPS sagte ihr, dass dies hier der schnellste Weg zu der Wohnung gegenüber des Friedhofs von Montparnasse war. Je länger sie auf der Straße unterwegs war, umso größer wurde ihr Bedürfnis nach einem Unterschlupf. Sie hatte sich bis jetzt nicht beklagt, aber ihre Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Zu allem Überfluss kam jetzt auch noch ein starkes Unwohlsein dazu, und sie fürchtete, ihr könnte jeden Moment das Abendessen wieder hochkommen. Sie musste so schnell wie möglich ihre Wohnung erreichen. Dort würde sie Schutz finden und Waffen, Geld, Kleider, vielleicht sogar jemanden von Echelon, der dort auf sie wartete, um sie fortzubringen. Vielleicht sogar Wales. Was immer »fortbringen« nach so einem wahnwitzigen Tag bedeutete. Vielleicht nach London, mit einem ihrer geheimen Flüge, falls die Franzosen die überhaupt noch zuließen. Nichts von allem, was sie in den letzten Stunden gehört und erlebt
hatte, war dazu angetan, ihr irgendwelche Hoffnungen zu machen. Sie war sich ziemlich sicher, dass die Killer im Krankenhaus zum französischen Geheimdienst gehörten. Aber sie hatte keine Ahnung, warum sie geschickt worden waren.
    Wenn sie mit ihr reden wollten, warum fragten sie dann nicht einfach höflich?
    Auch wenn sie als nicht deklarierte Agentin arbeitete, genauer gesagt als Auftragsmörderin, und in ihrem Land unterwegs war, gab es keine Erklärung für den brutalen Angriff im Salpêtrière. Das hier war kein Kinofilm. Man zielte nicht auf jemanden und ballerte ohne triftigen Grund los.
    »Caitlin?«
    Monique sprach leise, aber ihre Stimme klang angespannt. Sie hatten das belebte Vergnügungsviertel verlassen und gingen jetzt eine ruhigere Straße entlang. Caitlin warf einen Blick auf den Navigator und schätzte, dass sie noch zwanzig Minuten bis zur Wohnung brauchten. Sie musste sich bald

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