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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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entscheiden, ob sie ein weiteres Auto stehlen oder das Gebäude zu Fuß über den Friedhof hinweg erreichen wollte. Vielleicht war es ja besser, das Haus erst einige Stunden zu observieren, bevor sie hineinging. In Moniques Augen standen Tränen, und sie schluchzte vor sich hin.
    »Denkst du an deine Freunde?«
    »Es waren doch auch deine Freunde, Caitlin. Jedenfalls dachte ich das …«
    Sie waren mein Auftrag, dachte Caitlin. Aber laut sagte sie: »Ich mochte sie auch sehr. Celia war manchmal ziemlich selbstgerecht, und Maggie mitunter recht peinlich, aber …«
    Sie brach ab und verzichtete darauf weiterzusprechen. Es würde Monique nur noch mehr aufregen, und außerdem wollte sie jetzt nicht anfangen, sich Lügengeschichten
auszudenken, um ihre Taten zu beschönigen. In der Ferne donnerte es, obwohl kein Wölkchen am Himmel zu sehen war. Die Lichter der Stadt überstrahlten den Glanz der Sterne, wenige dünne graue Schleier trieben am Mond vorbei. Monique schien nichts bemerkt zu haben, und Caitlin verzichtete darauf, etwas zu sagen. Es machte keinen Sinn, die junge Französin noch mehr zu erschrecken, indem sie ihr mitteilte, dass sich ein paar Kilometer entfernt offenbar eine Explosion ereignet hatte.
    »Ich fühle mich so schuldig … wegen dem, was im Krankenhaus passiert ist, wegen Maggie und Celia und …«
    »Das ist ganz normal«, sagte Caitlin. »So ist das nun mal. Du kannst nicht verstehen, warum sie sterben mussten und du nicht. Du wirfst dir vor, nichts dagegen unternommen zu haben. Du streust immer wieder Salz in die Wunde, indem du dich fragst, ob eine winzige Abweichung hier oder da nicht vielleicht alles verändert hätte und sie noch am Leben sein könnten.«
    »Ja«, stimmte Monique leise zu.
    Sie hielten vor einem schmalen Gebäude an. Durch die Gardinen eines Fensters im Erdgeschoss flackerte das blaugrüne Licht eines TV-Bildschirms. Wahrscheinlich eine Nachrichtensendung. Polizei- und Feuerwehrautos rasten nicht weit entfernt mit Blaulicht und Sirenengeheul vorbei.
    »Das solltest du nicht tun«, sagte Caitlin. »Irgendwann musst du akzeptieren, dass es so gekommen ist. Am besten jetzt gleich. Deine Freunde wurden von ein paar Kerlen erschossen, die du gestern noch Faschisten genannt hättest. Ich habe im Gegenzug auf sie geschossen. Mehr Gerechtigkeit kann es auf dieser Welt nicht geben.«
    Monique schaute sie böse an. Sie war zutiefst verletzt und wollte nicht einlenken. Caitlin sprach dennoch weiter.
    »Es ist noch nicht vorbei. Ich weiß nicht, warum sie auf mich angesetzt wurden. Ich weiß nicht, ob es was damit
zu tun hat, was in Amerika passiert ist. Aber es ist noch nicht vorbei. Sie werden so lange wiederkommen, bis sie erreicht haben, was sie wollten, oder bis wir verschwunden sind. Du musst dich zusammenreißen, Monique. Und du musst dir klarmachen, dass ich sie nicht an uns ranlasse, ohne dass sie einen verdammt hohen Preis zahlen müssen. Menschen wurden getötet. Und noch mehr werden getötet werden, bevor ich mit alledem fertig bin. Und das passiert alles nur in dieser kleinen Welt, von der niemand etwas weiß, bis auf uns und die Kerle, die uns auf den Fersen sind. Der Rest der Welt wird noch viel schlimmer dran sein.«
    Sie gingen weiter, unter den ausladenden Ästen einer alten Eiche hindurch, die eine ganze Straßenecke vor einer Kunstgalerie beschirmte.
    »Was meinst du mit noch viel schlimmer dran?«, fragte Monique. »Wie soll das denn gehen?«
    Caitlin lachte, aber es klang sehr bitter.
    »Nehmen wir mal diese Kerle im Krankenhaus, und mich, zum Beispiel. Wir handeln auf unsere Weise. Du denkst, das ist falsch, hältst es für barbarisch. Aber wenn du erst mal das Spiel und seine Regeln verstanden hast, dann bekommst du wenigstens eine Ahnung, wie solche Dinge sich entwickeln und in welche Richtung es läuft.«
    Und deshalb war dieses Gemetzel im Krankenhaus auch äußerst merkwürdig. Es hätte niemals passieren dürfen, dachte Caitlin.
    Sie hielt erneut an und schaute Monique in die Augen.
    »Aber dieses Verschwinden, das wird die ganze Welt völlig auf den Kopf stellen. Ich muss so schnell wie möglich aus Paris weg, aus Frankreich. Aber du auch, wenn du überleben willst. Hast du mal den englischen Philosophen Hobbes gelesen? Du bist doch Französin, richtig? Ihr lest doch philosophische Texte schon zum Frühstück mit einem Croissant in der Hand, stimmt’s? Der Mensch existiert
in einem Naturzustand? Der Krieg aller gegen alle? Die moderne Gesellschaft hat das

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