Der Effekt - Roman
Nahrungsmittelversorgung untergebracht war.
Er wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die Verteilung der Lebensmittel wirklich funktionierte.
Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass er hier einen guten Empfang hatte, und er wählte die Nummer von Barney. Seit »nicht-autorisierte Zivilisten« das Mobilfunknetz nur noch im Notfall benutzen durften, war es nicht mehr so schwer durchzukommen.
Kipper fand diese Maßnahmen zu rigide und unnötig. Er schüttelte unwillkürlich den Kopf, als er darüber nachdachte. Es war ja nicht mehr so wie kurz nach dem Auftauchen der Energiewelle, als das Netz zusammengebrochen war, weil alle auf einen Schlag telefonieren wollten. Er empfand die Maßnahme als überflüssige Schikane. Das war eine von den Vorschriften, die bei den Leuten Ängste aufkommen ließ und den Verfolgungswahn bestimmter Personen anheizte.
Tatsächlich konnte er sich über so manche Maßnahmen der letzten Wochen aufregen, und nur Barneys Stimme im Hörer hielt ihn davon ab, laut fluchend vor sich hin zu schimpfen.
»Was gibt’s, Kumpel?«
»Hallo, Barney. Ich fahr gerade rüber zu Costco, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Bist du auf dem Weg?«
»Bin in fünf Minuten im Büro. Fahre gerade über die First Avenue Bridge. Heather müsste schon da sein. Sie hat in der Stadt übernachtet, um früher kommen zu können.«
»Oh, okay. Das wusste ich gar nicht. Schön für sie.« Kipper hielt einen Moment inne. Heather Cosgrove war eine junge Bauingenieurin, die ein sechsmonatiges Praktikum in der Straßenbauabteilung absolvierte. Alle aus der Abteilung waren auf einer Konferenz in Spokane gewesen, als die Energiewelle sie weggeblasen hatte. Falls es mal einen Preis für die am meisten durcheinandergebrachte Person geben sollte, wäre sie die erste Anwärterin. Sie kam aus Minneapolis, und ihr war nichts weiter geblieben als ihr Job.
»Ist das nicht gespenstisch?«, meinte Barney. »Kein Verkehr weit und breit - wie in einem Endzeitfilm.«
»Ja«, sagte Kipper, bemüht, sich wieder der unmittelbaren Wirklichkeit zu widmen. »Sag mal, hast du von dem Überfall letzte Nacht gehört?«
Barney schnaubte in den Hörer. »Überfall? So würde ich das nicht nennen. Soweit ich gehört habe, waren das nur ein paar bekiffte Dreadlocks, die eine Palette mit Kartoffelchips aus dem Lager klauen wollten.«
»Weißt du auch, dass sie erschossen wurden?«
Im Hörer knisterte es, als Kipper die Auffahrt zur South Forest Street nahm.
»Nein, davon weiß ich nichts, tut mir leid«, sagte Barney. »Woher weißt du das?«
»Die Polizei hat bei mir heute früh um zwei angerufen.«
»Wieso haben sie dich angerufen und nicht die Verantwortlichen im Rat?«
»Sie haben sie nicht erreicht. Schliefen wohl zu fest.«
Barney lachte. »Das sieht ihnen ähnlich.«
17
An-Nasiriyah, Irak
»Fedajin!«
Der Alarmruf kam von dem Mann an der Spitze, eine knappe Sekunde bevor das rhythmische Hämmern der automatischen Waffen losbrach. Die Soldaten der Kavallerie, die inzwischen im Häuserkampf einige Erfahrungen gesammelt hatten, gingen in Deckung, als hätte man ihnen einen Elektroschock verpasst. Die Späher suchten blitzschnell Schutz in Nischen und Eingängen, hinter Mauern oder Trümmerhaufen, die die engen Straßen von An-Nasiriyah blockierten. Der M3A2-Schützenpanzer folgte ihnen überallhin, wo es möglich war. Einige Einheiten der Infanterie schlossen sich ihnen an, als sie in die Stadt einmarschierten.
Melton befand sich unter ihnen, seine jahrzehntelange Erfahrung bei den Rangers und als Armee-Reporter kam ihm an der Front zugute. Trotzdem musste er heftig gegen Müdigkeit und Erschöpfung ankämpfen. Er warf sich neben Specialist Alcibiades, der unter einer großen zerbrochenen Betonplatte Schutz gesucht hatte, während ein Kugelhagel aus kleinkalibrigen Waffen die Lehmwände der Häuser nur einen Fußbreit über seinem Kopf bestrich.
Melton hatte sich ein M4-Sturmgewehr für den Selbstschutz beschafft, bevor er mit der Truppe die Grenze zum Irak überschritten hatte. Außerdem hatte er sich eine MOLLE-Kampfausrüstung besorgt, einige Munitionsgürtel, eine kugelsichere Weste und einen Helm. Die Army hatte ihm darüber hinaus noch eine Gasmaske zur Verfügung
gestellt und Schutzausrüstung gegen Angriffe mit chemischen oder biologischen Waffen. Allerdings hatte er schon immer Zweifel gehabt, ob die Iraker über derartige Massenvernichtungswaffen verfügten.
Auf jeden Fall war die Gefechtslage
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