Der Ego-Tunnel

dass es sich wirklich nur um eine Simulation handelt. Es ist ein Tunnel, dessen Bewohner zu erkennen beginnt, dass er oder sie tatsächlich die ganze Zeit über in einem Tunnel operiert.
    Hugh G. Callaway, ein britischer Forscher, der mit außerkörperlichen Erfahrungen experimentierte und seine Arbeiten unter dem Pseudonym Oliver Fox veröffentlichte, zeichnete die folgende klassische Episode auf, die im Jahre 1902 auftrat, als er ein junger Student der Naturwissenschaften am Harley Institute in South Hampton war:
Ich träumte, dass ich auf dem Gehsteig vor meinem Haus stand … Ich wollte gerade ins Haus hineingehen, als mein Blick beiläufig die Steine [des Straßenbelags] streifte und meine Aufmerksamkeit durch ein merkwürdiges Phänomen gefesselt wurde; es war so ungewöhnlich, dass ich meinen eigenen Augen nicht traute – anscheinend hatten sie alle über Nacht ihre Position verändert, und die langen Seiten verliefen nun auf einmal parallel zur Bordsteinkante! Dann wurde ich mir schlagartig der Lösung bewusst: Obwohl dieser herrliche Sommermorgen so wirklich erschien, wie nur irgendetwas wirklich sein konnte, träumte ich! Mit der Realisierung dieser Tatsache veränderte sich die Qualität des Traums auf eine Weise, die man nur sehr schwer jemandem mitteilen kann, der dieses Erlebnis noch nicht gehabt hat. Augenblicklich nahm die Klarheit und Lebendigkeit des Erlebnisses um das Hundertfache zu. Noch nie hatten das Meer, der Himmel und die Bäume eine solch zauberhafte Schönheit ausgestrahlt. Sogar die gewöhnlichen Häuser schienen von innerem Leben erfüllt und waren auf mystische Weise schön. Niemals habe ich mich so absolut wohlgefühlt, so klar im Kopf, so unaussprechlich frei! Es war ein herrliches Gefühl, eine Empfindung jenseits aller Worte, aber sie währte nur wenige Minuten, und ich erwachte. 8
    Vielleicht haben Sie selbst schon einmal einen Klartraum gehabt – das Phänomen ist nicht selten. Wenn nicht, könnten Sie eine ganze Reihe verschiedener Techniken ausprobieren, um einen herbeizuführen. Zum Beispiel könnten Sie sich angewöhnen, mehrmals täglich einen »Realitätscheck« durchzuführen. Jeder Realitätscheck sollte wenigstens eine Minute dauern. Er besteht darin, dass Sie sorgfältig Ihre gegenwärtige innere und äußere Umwelt inspizieren und nach Hinweisen darauf suchen, dass es sich im Moment womöglich nicht um die gewöhnliche Realität des Wachlebens handelt. Leser, die an der Erforschung des Traum-Tunnels interessiert sind, können folgende Checkliste als Leitfaden benutzen:
Stimmt die Anordnung aller Möbel mit der Art und Weise überein, in der sie normalerweise im Zimmer stehen?
Sind die Pflastersteine und die Fliesen wirklich auf dieselbe Weise angeordnet wie im Normalfall? Weist der Teppich dasselbe Muster auf wie immer?
Tauchen Gegenstände oder Personen plötzlich auf und verschwinden wieder oder verändern sie ihre Identität?
Wissen Sie, wer Sie sind und wo Sie sich gerade befinden?
Wissen Sie, um welchen Wochentag es sich handelt und wann Sie zum letzten Mal aufgewacht sind?
Gibt es in ihrem Kurzzeitgedächtnis irgendwelche Lücken bezüglich erst kürzlich aufgetretener Ereignisse?
Verschiebt sich der Fokus Ihrer visuellen Aufmerksamkeit auf die übliche Weise?
Sind Sie gerade mit irgendwelchen ungewöhnlichen physischen Aktivitäten beschäftigt, zum Beispiel Fliegen?
Versuchen Sie ständig, sich an etwas zu erinnern, von dem Sie wissen, dass es von großer Bedeutung ist, aber es fällt Ihnen einfach nicht mehr ein?
Ist die Welt »bedeutungsschwanger«? Besitzt die gegenwärtige Situation einen metaphorischen oder symbolischen Charakter, oder haben Sie das Gefühl, dass Sie kurz vor einer wichtigen Entdeckung stehen?
    Wenn Sie Realitätschecks dieser Art regelmäßig mehrmals täglich durchführen, haben Sie eine gute Chance, früher oder später zu einem Klarträumer zu werden. Aus purer Gewohnheit werden Sie eines Tages einen Realitätscheck im Traum ausführen – und wenn Sie Glück haben, werden Sie tatsächlich erkennen, dass Sie jetzt gerade träumen. 9
    Andere Methoden, luzide Träume herbeizuführen, sind sogar noch wirksamer. Sie könnten versuchen, den Wecker auf frühmorgens zu stellen und dann sorgfältig die Ereignisse Ihres letzten Traums aufzuschreiben. (Am besten gelingt dies, wenn Sie die Augen geschlossen lassen und einen abends bereitgelegten Notizblock benutzen.) Stehen Sie auf, bewegen sich eine Weile und gehen dann wieder ins Bett.