Der Ehrengast
in der geklatscht worden war, meldete sich jetzt jemand zu Wort, ein junger Mann mit Nilpferdgesicht und winzigen Ohren, dessen spitz zulaufende, ringbesetzte Hand auf seinem riesigen Rücken lag. Sein Englisch hatte einen starken Akzent. »Kann der Minister erklären, weshalbdas Gesetz nicht zuerst dem Zentralkomitee vorgelegt wurde? Korrigieren Sie mich, aber soweit ich weiß, ist dies das erste Mal, daß das nicht geschah. Die Partei hat dieser Gesetzesvorlage nicht zugestimmt, weil die Partei darüber nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Soll aus dem Zentralkomitee ein machtloses Instrument werden, das –
einfach so
– Beschlüsse unterschreibt, die die Regierung gefaßt hat? Ist das die Absicht, die dahintersteckt?«
Cyprian Kente wandte sich ob der Naivität der Frage mit einem Lächeln an das Haus. »Der ehrenwerte Abgeordnete ist sich der Tatsache bewußt, daß dieser Beschluß vom Präsidenten aufgrund der Ermächtigung durch Notstandsgesetze gefaßt wurde.«
Die riesige Schuljungengestalt blieb hartnäckig.
»Der Präsident ist auch Parteipräsident. Hat er das Zentralkomitee konsultiert? Das ist es, was ich frage.«
Mweta, mit offenem Gesicht und der sofortigen, beruhigenden Autorität eines Mannes, der immer den Standpunkt jedes Menschen ernst zu nehmen scheint, erhob sich anstelle von Kente. »Ich möchte den ehrenwerten Abgeordneten beruhigen, denn ich weiß, mit welcher Hingabe er, seit er einen der wichtigsten organisatorischen Posten innerhalb der Parteijugend innehatte, der Partei gedient hat. Ich teile mit ihm das Anliegen, daß die PIP – die Sie und ich und wir alle hier geschaffen haben – mit Hilfe dieser Regierung weiterhin jene Politik verfolgt, die sie aus dem Willen unseres Volkes gemeißelt hat. In einer zwingenden Reaktion auf gewisse Informationen habe ich den Schritt zur Einführung des Vorbeugehaftgesetzes getan, ohne daß ich Gelegenheit gehabt hätte, den Gesetzentwurf dem Zentralkomitee vorzulegen. Aber ich möchte betonen, daß ich diesen Schritt erst nach eingehender Konsultation des Kabinetts unternommen habe. Und von den acht Mitgliedern des Zentralkomitees gehören fünf dem Kabinett an.« Ein triumphierendes Summen der Zustimmung; er unterbrach es bescheiden und fuhr fort: »Wenn diese Maßnahme im nächsten Monat dem Parteikongreß vorgelegt wird, dann bin ich sicher, daß ich nicht nur die Zustimmung von den übrigen Mitgliedern des Zentralkomitees erhalten werde, sondern auch vomKongreß als ganzem, wodurch dem, was schon von Anbeginn an ein Mehrheitsentscheid der Vertreter des Zentralkomitees im Kabinett war, die Bedeutung eines landesweiten Mandats zukommen wird.« Der Widerspruch aus den hinteren Sitzreihen wurde durch den Beifall auf Hochglanz polierter Schuhe, die auf den Boden trommelten, ausgetreten. Mwetas Anhänger strahlten und strömten vor Zuversicht über. Er ließ sich davon tragen, aber nicht hinreißen, sondern kehrte den Stoß gegen die Andersdenkenden. Seine Stimme war über dem Lärm klar und deutlich vernehmbar. »In diesem ersten Jahr der Existenz unseres Staates stehen wir in einer Weise zusammen, wie es sich vielleicht nie mehr wiederholen wird. Wenn unsere Kinder und Kindeskinder herangewachsen sein werden – so Gott unser Land mit dem Frieden und der Stabilität segnet, um die wir ringen –, dann mag die Aufgabe der Lenkung dieses Staates vielleicht nicht mehr sein als ein Stück effizienter Verwaltungsarbeit, die von Professionellen erledigt wird. Wir aber sind Kampfgenossen. Wir sind es, die Freiheit forderten, als wir nicht mehr besaßen als ein Paar Hosen. Ja, wir sind es – Cyrus Goma, der Abgeordnete für Selusi, ich selbst, viele, viele Gesichter, die ich hier erblicke –, die gemeinsam im Gefängnis gesessen haben, nicht weil wir zerstören wollten, sondern weil wir ein neues Leben für die afrikanische Bevölkerung schaffen wollten. Wir sind es, die gekämpft haben, und gleichzeitig diejenigen, die jetzt regieren. Wir sind die erste Ernte. So haben uns die Leute, die uns regierten, genannt. Und es stimmt, daß sie die Drachensaat kolonialistischer Repression ausgestreut haben und daß plötzlich wir daraus wuchsen, eine Generation, die Feuer spie … Wir haben auf die mühevollste Art und Weise seit den Tagen, da wir noch zur Schule gingen, gelernt, was Einheit von uns verlangt – und wie, ohne sie, nichts,
nichts
, was für irgendeinen unter uns von Vorteil sein könnte, erreicht oder bewahrt werden kann. Kleine Zweifel und
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