Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
wäre. Gala war so klein; zusammen mit ein paar anderen Familien von Beamten waren die Tlumes und Alekes von der »schwarzen Stadt« isoliert; Rebecca und Bray wiederum waren beide – sie, weil sie erst vor kurzem hergezogen war und unter Bedingungen lebte, die der Gemeinde der Weißen nicht vertraut waren, und Bray wegen der Vergangenheit – von der »weißen Stadt« isoliert. Bray aß oft unten im alten, nach Rassen unterteilten Stadtteil bei den Malembas zu Abend, wurde manchmal aber auch von einer barfüßigen Abordnung von Kindern der Edwards’ oder Tlumes hinüberzitiert, wo er dann im Haus der Tlumes auf der anderen Seite des leeren Grundstückes aß. Und das Haus der Alekes – ehemals sein eigenes Haus – war schon aufgrund seiner Geräumigkeit ein Ort, an dem Menschen zusammenkamen. Seinen Junggesellen-Unterschlupf – ohne Frau oder Kind – sparte man aus, der gedeckte Tisch durch Kalimos Netz von einem Leichentuch vor Fliegen geschützt.
    An einem Wochenende fuhren sie alle über den Tag an den See, und da war auch er mit von der Partie. Ein paar überschüssige Kinder wurden samt Picknick-Zubehör – sein Beitrag zur Lösung des Transportproblems – vor seinem Haus abgestellt; während er fuhr, sangen ihm die Kinder Lieder vor, die sie in der Schule gelernt hatten. Kaum angekommen, platzte die Gesellschaft schon wie ein Haufen ausgelassener Vögel aus den Wagen und zerstreute sich. Bray und Aleke ließ man zurück, damit sie auspackten; Aleke hatte in weiser Voraussicht für das hüfthohe Gras am Seeufer eine Sense mitgenommen und streifte das Hemd ab, um mühelos, als wäre er ein x-beliebiger Arbeiter und hätte nichts mit dem
boma
zu tun, eine kleine Fläche abzumähen. Erhatte eine kleine Schlange in zwei Hälften zerschnitten – eine harmlose Grasschlange. Glücklich wie ein Schuljunge legte er sie zur Seite und reinigte mit einer Handvoll Gras das Sensenblatt, stand da und beäugte Bray amüsiert. »Wir werden Lebaliso also los«, bemerkte er.
    »Was werden wir?«
    Aleke ließ seinen jugendlichen Körper in das geschnittene Gras gleiten und nahm sich eine der zwei Wochen alten englischen Zeitungen, die Bray mitgebracht hatte. »Wurden gestern verständigt. Er weiß noch nichts davon. Versetzt. In die östliche Provinz. Bezirk Masama.« Interessiert studierte er ein Titelphoto, auf dem wie Zwitterwesen gekleidete Leute abgebildet waren – Stiefel an den Beinen, Mandarin-Mäntel, fließende Hosen, Blütenkränze und Halsketten, Wachsfiguren-Uniformen – und ein paar ältere Typen in Fräcken und mit Zylinderhüten auf dem Kopf, die sich vorwärts bewegten wie eine apokalyptische Armee, und darüber die Schlagzeile PEER-SOHN HEIRATET: HOCHZEITSGÄSTE SCHLIESSEN SICH VIETNAM-PROTESTMARSCH AN.
    Jetzt war Bray an der Reihe, ihn zu beobachten. »Hat Sie das denn nicht überrascht?«
    Aleke lächelte – wie es schien, über das Bild. Dann sah er auf. »Nein, ich bin nicht überrascht.«
    »Na, ich aber.«
    Alekes Gesicht ging lachend in die Breite; er hatte ein tolerantes Verständnis für die Macht. Wenn Bray in die Hauptstadt fahren und sich beim Präsidenten Gehör verschaffen konnte, nun, dann mußte man das eben als ein weiteres Faktum zur Kenntnis nehmen. Natürlich, Aleke wollte auf seine Weise seine Arbeit ebenfalls erledigen und in Ruhe gelassen werden.
    Bray sagte: »Naja, das ist in jedem Fall gut so.« Aleke hüllte sich in liebenswürdiges Schweigen. Er ließ sich zurücksinken und stützte sich auf einen Ellbogen, sein mächtiger, unbehaarter Brustkasten und seine muskulöse, dennoch aber auf sinnliche Art männlich-fleischige Brustpartie hoben und senkten sich unter entspannten, regelmäßigen Atemzügen. Er bot einen herrlichenAnblick; Brays Gedanken schwirrten um alte Kupferstiche afrikanischer Könige, die sonderbar entspannt wirkten – ihr Fleisch, ein königliches Attribut. »Genausogut hätte er freilich für seine Weitsicht befördert werden können. Trotzdem – dieser Junge hätte ein Verfahren gegen ihn einleiten sollen.«
    Sie verfielen wieder in Schweigen und blätterten die Seiten ihrer Zeitungen um. Bray las eine einheimische Tageszeitung, die mit vierundzwanzigstündiger Verspätung aus der Hauptstadt heraufkam. Gwenzi, der Bergbauminister, appellierte an die Bergleute, nicht »verantwortungslos« jene Löhne und Gratifikationen zu fordern, die ausländischen Experten zugebilligt werden müßten; diese Experten würden noch für die nächsten zwanzig Jahre »eine

Weitere Kostenlose Bücher