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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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wär’s, wenn man sie auszahlte – käme das letztlich nicht billiger?«
    »Nicht, wenn in der Zwischenzeit keine Vorkehrungen für Neubesetzungen getroffen werden. Vor zwei Jahren versuchte ich in die Wege zu leiten, daß man Leute von hier probeweise zu Fortbildungskursen für Rundfunktechniker schickt – nichts zu machen. Wissen Sie, mit wem ich es zu tun kriegen würde, wenn ich morgen die englischen Sprachsendungen übernehmen müßte – mit einem Haufen Sprecher aus den Lambala- und Ezenzeli-Gebieten und mit ein paar Lehrerinnen, die aus Südafrika geflohen sind.«
    Das Mädchen saß da und sah nichts – ein atemloses Tier, das sich im Augenblick der Gefahr in einer Höhle versteckt hat.
    Bray mußte aufstehen, weil man ihn einer großen Frau vorstellen wollte, die am Rande der Tanzfläche mit Curtis Pettigrew, dem Amerikaner, zum Takt der Musik auf der Stelle trat; sie stammte aus Westafrika und hatte Timothy Odara geheiratet, den Bray von früher kannte. Auch sie sprach mit amerikanischer Betonung, und in ihrer auffallenden Nationaltracht, die sie hinter sich herzog, so als hätte sie sie geradewegs vom Ladentisch aus einem farbenprächtigen Bündel herausgezogen, erschien sie im Vergleich zu den einheimischen schwarzen Frauen, die für gewöhnlich daheim bleiben mußten, in jeder Beziehung wie eine doppelte Portion und trat auch bewußt so auf. Während sie weitergingen, sagte sie: »Was glauben Sie, wie ich heiße?«, und als ihn das offensichtlich verlegen machte: »Genau wie Sie, soweit ich weiß. Evelyn.« »Aber die Leute nennen mich James.« »Das will ich auch verdammt nochmal hoffen. Nun, dann hab ich also heute abend doch noch jemanden mit meiner Statur gefunden. Wir könnten die anderen einfach von der Tanzfläche fegen.« Während sie tanzten, hielt sie den Kontakt mit allen um sich herum aufrecht, mit dem einen unterhielt sie sich über seine Schulter hinweg und streckte einen breiten schwieligen Fuß in einer goldenen Sandale aus, um einem anderen damit leicht gegen das Schienbein zu treten. »Bring sie dazu, daß sie singt«,feuerte Dando ihn an. »Heute nacht nicht, Roly-du-Dandy, ich hab mir vorgenommen, mich nur von der besten Seite zu zeigen.« »Genau das meine ich ja!« »Wär’s Evelyn peinlich, wenn Evelyn sänge?« fragte sie Bray. »Aber keine Spur. Was singen Sie denn?« »Nun, was würden Sie glauben? Wonach seh ich aus?« Sie hatte das Selbstbewußtsein einer Frau von umwerfender Häßlichkeit. »Wagner?« Zufriedenes Schnauben. »Weiter so! Ich hab eine Stimme wie ein Ochsenfrosch. Es ist grauenhaft, wenn ich die alten Melodien aus meiner Heimat singe, aber auf englisch klingt’s nicht so übel – Englisch ist ohnehin eine derbe Sprache.«
    Vivien Bayleys angespanntes Gesicht nahm beiläufig das Gespräch auf: »… das ist die Tochter von Hjalmar Wentz, die, die bei Ihnen gesessen hat.«
    »Das orientalisch aussehende kleine Mädchen neben Ras?«
    »Ja, sie ist schön, nicht wahr? Margot ließ sie nur herkommen, weil ich ihr versprochen habe, ich würd mich darum kümmern, daß sie alle Hände voll zu tun hat und nicht auf dumme Gedanken kommt. Sie haben Sie doch nicht mit Ras allein gelassen?«
    Er hob hilflos die Schultern. Die Tanzenden traten zurück, um einem polnischen Agraringenieur Platz zu machen, der einem schlaksigen Engländer und zwei jungen Schwarzen einen osteuropäischen Bauerntanz beizubringen suchte. Die Kapelle aus dem Kongo hatte keine Ahnung, welche Musik wohl dazu passen mochte, und versuchte es mit einem stampfenden Crescendo; dann spielte einer der Polen auf dem Klavier, und Neil Bayley setzte sich ans Schlagzeug. Nun beherrschte für eine Weile jene studentische Art der Selbstdarstellung die Szene, die immer dann zum Ausbruch kommt, wenn Engländer sich anstrengen, etwas mit Herz und Seele zu feiern. Jemand verschwand, um mit einem weiteren Kasten Champagner wiederaufzutauchen. Der Wein war warm, aber wie ein Schweißausbruch fiel plötzlich frühmorgendlicher Regen ein, und ein kühler Wind blies in Nacken und Gesichter. Später dann sang Odaras Frau die neue Nationalhymne mit einem wunderschönen Kontraalt, wobei ihr großer Bauch unter der Robe bebte. Die unverheirateten jungenMänner tobten sich aus, und die zerzausten Mädchen, die sich nahe vorbeidrückten oder plötzlich Leuten zulächelten, deren Anwesenheit sie sich gar nicht bewußt waren, verströmten mit ihren erhitzten Körpern den Geruch von Kosmetika und Parfum. Dann gab’s im Haus

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