Der Ehrengast
Balance. Durch das Trinken und die Aufforderung zu trinken wurde die Hitze größer, und am Glas, das die lange, schmale schwarze Hand seines Nachbarnfüllte, waren die Fingerabdrücke der weißen Frau zu sehen, die es ihm überlassen hatte. »Erinnern Sie sich nicht mehr an mich? – Ras Asahe, ich hab Sie einmal in Ihrem Haus in England besucht.« Der junge Mann erzählte, er arbeite im Augenblick beim Rundfunk, »als sogenannter Assistent des Programmdirektors für englische Sprachsendungen«.
»Und wie geht’s Ihrem Vater? Mein Gott, wie gern würd ich ihn wiedersehen!« Joseph Asahe war in den frühesten Tagen der PIP einer von Edward Shinzas Gehilfen gewesen.
»Er ist jetzt alt.« Es war keine passende Frage gewesen, die er da gestellt hatte; der junge Mann wies jedwede Andeutung, zwischen ihm und Shinza bestünde eine Verbindung, von sich. Er hatte Kleider, Uhr, Manschettenknöpfe eines Mannes, der der Meinung war, er müsse sich das Beste leisten, hatte, was bei der Bevölkerung des Landstrichs, aus dem er kam, sehr häufig war, einen Unterkiefer wie Mussolini, die Hände aber waren die sensiblen, feingliedrig-kräftigen Negerhände, die trotz schwerer körperlicher Arbeit (wie Bray zu seinem Erstaunen festgestellt hatte) nie grobschlächtig wurden, aber auch nichts mit der international verbreiteten Weichlichkeit typischer Geschäftsleutehände zu tun hatten. Mit solchen Händen arbeiteten Sträflinge hier in Steinbrüchen.
Sie unterhielten sich über die Sendezeit, die der Rundfunk und das Fernsehen den Feierlichkeiten einräumten, und von da aus kamen sie auf ein Thema, das sie beide interessierte – das Problem der Kommunikation in einem Land mit derart vielen verschiedenen Sprachgruppen. »Ich frage mich, inwieweit es nützlich sein könnte, in Landschulen ein Klassenzimmer zu haben, in dem ein Rundfunkgerät installiert ist, und ob es nicht beträchtlich zur Verminderung des Lehrermangels beitragen könnte
und
dabei helfen würde, einen gewissen Standard – hier, wo Lehrkräfte nicht allzu qualifiziert sind – aufrechtzuerhalten. Ich würd gern einmal darüber mit jemandem reden – vielleicht mit Ihrem Boß? Ich bin nicht scharf darauf, direkt zum Generaldirektor zu gehen …«
»Würde auch nicht viel helfen. Die –« Ras Asahe meinte die Weißen – »wissen alle, daß sie mit Ende dieses Jahres einen befristeten Vertrag kriegen, was soviel bedeutet, daß sie in drei Jahren ersetzt werden. Nicht, daß sie sich jemals angestrengt hätten. Die vielen Jahre immer auf einem sicheren Arbeitsplatz, was soll man da denn schon erwarten? Man braucht sich nichts einfallen zu lassen, braucht nicht aus seinem Sessel aufzustehen, sondern macht einfach mittels der magischen Kiste weiterhin Lärm, um die Eingeborenen ruhigzuhalten – und dann, auf einmal, bumm, alles futsch, einschließlich des einzigen Anreizes, den sie je hatten: ihre Pension. Sie sind pathetisch, Mann; kein Zweifel, daß sie nicht viel anzubieten haben, wenn sie sich um Stellen bei der BBC bewerben. Sie werden keine kriegen. Sie
wollen
gehen, sie sehnen sich danach, man sieht ihnen an, daß sie den Anblick deines Gesichts nicht ertragen können, wenn sie mit dir zusammenarbeiten – was die Sache äußerst angenehm macht, wie Sie sich vorstellen können …« Ein zierliches weißes Mädchen schob sich zwischen sie und griff nach Ras Asahes Hand wie nach etwas, das ihr gehörte und das sie abgelegt hatte: »Rette mich vor Daddy Dando.« »Ich könnte Ihnen ein Dutzend Beispiele davon erzählen, was so passiert – die Zeremonie heut nachmittag: wie ein Pferderennen, Mann – die Ausstattung war haargenau die gleiche wie die, die sie immer für die Benefizveranstaltung des Springderbys zu Weihnachten verwendet haben, aber was kennen sie sonst auch schon? Mach irgendwelche Vorschläge, sie blasen sie einfach weg, in ihren Zigarettenrauch hinein, ohne daß ein einziger auch nur zuhören würde.« Das Mädchen war in ihre Unterhaltung geraten wie eine Photographie, die plötzlich zwischen Buchseiten auftaucht; Bray konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sie ein Kind war oder eine Frau: zarte Schlüsselbeine, ein langer Hals mit einem Gesicht darüber, das kaum breiter war, blaß und blutleer, ein breiter, dünnlippiger, unbemalter Mund, schwarzes Haar und glänzende, traurige, schwarze Augen. Der Stoff des Kleides, das sie anhatte, kam aus dem Kongo.
»Angenommen, sie würden am Ende des Jahres nicht mehrunter Vertrag genommen? Wie
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