Der Ehrengast
sie die Maschine ab und fängt an, ihn – während der Polizist ihn festhält – zu schlagen und zu treten … Ein unglaublicher Auftritt! Und das Schlimmste daran sind die Frauen … unsere Frauen: Von nichts krieg ich größere Kopfschmerzen, als wenn eine dieser alten Mütter herumzuschreien anfängt.«
Die »Burschen« von der PIP waren in der Absicht zur Mine gefahren, den Beschluß der Gewerkschaftsvertreter (der im Gegensatz zur Überzeugung der Kumpel selbst stand), keinen wilden Streik anzufangen, zu unterstützen. Sie behaupteten, sie wollten bei der Mine eine Versammlung abhalten – »um sie wissen zu lassen, daß nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch die PIP von ihnen erwartet, daß sie arbeiten«, fiel Bray ein. »Genau«, sagte Aleke. »Die Burschen behaupten, sie wollten friedfertig an die Loyalität der Arbeiter appellieren und so weiter. Und es wäre auch weiter nichts passiert, Mann, hätten nicht vor allem diese Alten in dem Augenblick, in dem der Lastwagen in die Siedlung kam, zu schreien angefangen …« Ein paar Köpfe waren blutiggeschlagen worden; nicht so viele, daß das Missionshospital in Bedrängnis gekommen wäre. »Sie sind ein Glückspilz, Aleke, wär mir das passiert, als ich noch Ihre Arbeit erledigen mußte, hätte ich sie am nächsten Tag alle im Gerichtssaal vor mir gehabt.«
»Als ob ich das nicht wüßte.« Aleke bot die wohlwollende Anteilnahme des Kollegen an. Obwohl er die Ereignisse dieser Nacht derart lakonisch-beiläufig beschrieb, war seine und Selufus Arbeit offenbar effizient. Selufu verhaftete den Großteil der Burschen von der PIP , und sie waren vom Magistratsgericht in Gala zur Voruntersuchung vorgeladen worden. Alles war so, wie es sein sollte; Bray gestattete sich ein Nachlassen der inneren Spannungen. Natürlich dachte er über Shinza nach – der in der Woche vor dem Streikversuch im Gebiet um die Mine dort oben gewesen war. Na, Shinza würde sich davon überzeugen können, daß man zumindest die militanten PIP -Anhänger verhaftet hatte.
Mwetas Antwort kam prompt; aber sicher würde Bray eine Einladung zum Kongreß erhalten – in welcher Funktion, das schrieb er allerdings nicht. Wie Bray wisse, werde der Kongreß diesmal in der Hauptstadt abgehalten werden. (Man hatte diese Entscheidung bereits ziemlich scharf kritisiert; immer war er in dem kleinen Dorf Yambo, an der Grenze zwischen der Zentralprovinz und Gala, abgehalten worden, wo unmittelbar nach dem Krieg die ersten erfolgreichen Demonstrationen und die ersten Verhaftungen seitens der britischen Behörden stattgefunden hatten.) Mweta ignorierte den Umstand, daß Bray nicht jene Briefe geschrieben hatte, auf die er wartete, und teilte ihm bloß mit – ganz so, als hätte es auf diesem Sektor in ihrer Beziehung kein Schweigen und keine Zurückweisung gegeben –, daß er sich frage, was Bray von den Auseinandersetzungen um die Eisenerzmine halte.
Seine Antwort, die er unverzüglich unter dem Feigenbaum verfaßte, lautete, daß das, was ihn interessiere, das Muster sei, das die Auseinandersetzungen in der Fischfabrik und der Mine miteinander gemeinsam hätten. In beiden Fällen handle es sich um ein und dasselbe: Ein Problem, das die Arbeiter aufs Tapet gebrachthatten, sei von ihren Betriebsräten ebensowenig wie von anderen Gewerkschaftsvertretern, die zudem noch Funktionäre der PIP seien, unterstützt worden. Den Ausgangspunkt bilde in beiden Fällen ein Übereinkommen, das zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber getroffen worden und insgesamt für die Arbeiter inakzeptabel gewesen sei: In der Fischfabrik habe es sich um den Status der sogenannten Gelegenheitsarbeiter gehandelt (und Mweta wisse ja – er hatte es ihm persönlich geschildert –, wie diese Leute arbeiteten und wie sie lebten); in der Mine sei es das Problem der Bezahlung von Überstunden gewesen. Es scheine klar, daß die Einmischung der PIP in Angelegenheiten der Gewerkschaft die Funktion der Gewerkschaft selbst außer Kraft zu setzen drohe – und zwar diejenige, die Interessen der Arbeitnehmer gegen die der Arbeitgeber zu vertreten. Das könne eben passieren, wenn die Interessen des Arbeitgebers plötzlich mit denen des Staates zusammenfielen und die Regierung wiederum die Partei sei. Es führe zu Unruhen unter den Arbeitern, denen eine Gewerkschaftsführung fehle, die bei den Arbeitern über genügend Vertrauen verfüge, die Unruhen zu kontrollieren.
Wenn Du die Gewerkschaften zerstörst, brauchst Du die Polizei – mehr und
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