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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Klimaanlage – oder, richtiger: kühlgefächelt von ihr – lag dieser Herdengeruch in der Luft, der Geruch einer Menschenherde, der sich nicht aufgrund körperlicher Betätigung entfaltete, sondern aufgrund von Überzeugung, Vorurteil, Auffassungskraft, nervlicher Anspannung, die – wie Bray überlegte – von mir und all den anderen kommt. Wir sagen nichts, ich weiß nicht, was die Nachbarn zu beiden Seiten von mir halten, unsere Arme berühren einander zwar auf den Stuhllehnen, aber wir übermitteln sie, diese Botschaft, die wir genausowenig entziffern können wie die Tiere.
    Der erste, der sich zu diesem Antrag zu Wort meldete, war sorgfältig ausgewählt worden: Der Gewerkschafter Sam Gaka war ein Vertreter jener Sorte Mensch, die man als »eng aber ernsthaft« bezeichnen könnte – das heißt, als begnadet mit einer gewissen, hartnäckig-beharrlichen Auffassungsgabe für eine bestimmte Anzahl von Fakten, die dann ohne Bezug zur Hierarchie anderer Fakten isoliert dastanden. In jeder Gesellschaft, in der das nur möglich war, wäre er apolitisch gewesen; hier begriff er nur nicht, was seine politische Position war. Er war ein (fast im biblischen Sinne des Wortes) gläubiger Anhänger eines genossenschaftlichen Gewerkschaftsgedankens – der Beschränkung der Aktivitäten der Gewerkschaft auf ausschließlich pragmatische Fragen des Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses. Und obwohldergleichen vom UTUC niemals hätte praktiziert werden können, weil diesem von den allerersten Anfängen an der politische Kampf, an dem er teilgenommen hatte, ein nationales Anliegen war, ein Kampf, in dem der Arbeitgeber/weiße Kolonialist ein und dasselbe waren, eine Macht, gegen die der Arbeiter/schwarze Untertan seine Forderungen/Rechte zu behaupten hatte, und obwohl auch der genossenschaftliche Gewerkschaftsgedanke etwas war, das der UTUC derzeit nicht in die Praxis umsetzen konnte, weil ein unterentwickeltes Land in der Lage sein muß, seine Arbeiter im alten politischen Sinne des Wortes »aufzurufen«, damit sie für den Staat den Kampf um ökonomische Emanzipation führen – gelang es ihm, der Wahl des Generalsekretärs aus der »puristischen« Position der genossenschaftlichen Gewerkschaft das Wort zu reden. Und diejenigen, die das erkannt hatten, wußten auch einen Namen dafür; für die Mehrheit bedeuteten seine Worte bloß, daß die Mitglieder des UTUC , der die gesamte Arbeiterschaft des Landes repräsentiere, immer diejenigen seien, die wissen müßten, wer am besten geeignet sei, in ihrem Namen mit der Regierung zu verhandeln, daß ferner die Idee der Gewerkschaftsbewegung insgesamt auf der Wahl der eigenen Sprecher durch die Arbeiter basiere und so weiter.
    Schlauer Shinza, dachte Bray, gerade diesen Mann auszuwählen. Aber es gab auch Reden, die noch aus diesem politisch unverdächtigen Zusammenhang Nutzen zogen. Ndisi Shunungwa, derzeitiger Generalsekretär des UTUC , bediente sich bei seiner Rede eines anderen Vorteils – jedermann wußte, daß er selbst ins Amt gewählt worden war, und trotzdem machte er die Parteimitglieder darauf aufmerksam, daß der Mann, der in Zukunft vom Präsidenten ernannt werden würde, kein Außenseiter sein werde – man habe Vorsorge dafür getroffen, daß das nicht passieren könne –, sondern ein Vorstandsmitglied des UTUC und damit jemand, der von den Gewerkschaftsmitgliedern frei gewählt worden sei, damit er ihre Interessen vertrete – wie sonst wäre er denn überhaupt in den UTUC gekommen?
    Basil Nwangas mächtiger Rücken versperrte, als er sich erhob,die Sicht auf die Männer neben ihm. »Herr Vorsitzender, das mag zwar als nette und saubere Antwort eines Amtsträgers hingehen, den vielleicht die Zuversicht erfüllt, er werde den Sessel behalten, auf dem er jetzt sitzt, auch wenn der Generalsekretär ernannt und nicht mehr gewählt wird« – bevor noch der Vorsitzende irgendwelche Einsprüche erheben konnte, fuhr er ohne Pause in seiner beißend-umgänglichen Tonart fort: »Gut, persönliche Ansichten interessieren uns nun aber natürlich nicht, wir haben über Fakten zu befinden, und ein Faktum, das man hier ausgelassen hat, ist, daß es innerhalb der UTUC selbst Leute gibt, die unterschiedliche Auffassungen zur Gewerkschaftsbewegung vertreten. Allein die Mehrheit der Mitglieder des UTUC hat das Recht zu entscheiden, welcher Mann, der welche Vorstellungen vertritt, den Arbeitern als Generalsekretär am besten dienen wird. Erfolgt die Ernennung von außerhalb, dann kann

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