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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Soldaten hereingeflogen hat – aber der Offizier hat sich erst jetzt daran erinnert, sie mir zu geben.« Auf einem der Umschläge klebte eine Schweizer Briefmarke. Er machte den Brief auf und überflog ihn schnell, während sie sich weiter miteinander unterhielten. Als Aleke gegangen war, übergab er ihn Rebecca. Zu Hjalmar und ihr sagte er: »Besser, ich mach michjetzt auf die Beine und seh mich mal um. Ich kann dem Polizei-Commissioner wohl doch kaum Befehle erteilen, oder …« Ihre Augen liefen schnell über die Zeilen:
Lieber Colonel Bray, Ihre Kopie von
La Fille aux Yeux d’Or
wurde für Sie reserviert. Wir erwarten weitere Anweisungen und sind stets zu Ihren Diensten
. Sie faltete ihn wieder zusammen und gab ihn mit einem leichten Kopfschütteln zurück.
    Hjalmar richtete Bray aus, er sei angerufen worden und solle sich mit Mr. Joosab in Verbindung setzen. Er versuchte, ihn im Geschäft zu erreichen, aber es hob niemand ab; sicher fest verrammelt. Armer Joosab. Vermutlich war es klüger, ihn aufzusuchen. Rebecca sagte: »Hat nicht viel Sinn, wieder ins Büro zu fahren, wenn Aleke nicht da ist.«
    »Nein, bleib hier.« Er dachte an die Banden und die versuchte Brandstiftung in unmittelbarer Nähe der Stadt, im Industriegebiet.
    »Sollen wir im Garten weitermachen?« sagte Hjalmar. »Wenn man an der einen Stelle nicht gebraucht wird, dann muß man es an einer anderen versuchen.«
    Als er sich verabschiedet hatte und davonfahren wollte, kam sie aus der Küchentür gelaufen. Er blieb stehen und wartete auf sie. »War das von der Schweizer Bank?« Er nickte. »Alles bestens.« »Was war das mit diesem Mädchen …? Woher hast du das denn?« Er wartete eine Sekunde und gönnte sich das Vergnügen, diese Augen mit dem modischen schwarzen Make-up anzusehen, das sie in letzter Zeit trug. »Es bedeutet ›das Mädchen mit den goldenen Augen‹ – das ist ein Romantitel. Ich hab einmal gehört, wie dich Roly so nannte. Also hattest du bereits einen Codenamen.«
    »Wie heißt denn der Verfasser?« – Er spürte aber, daß sich ihre Neugierde mehr auf sie selber bezog, darauf, wie er sie sah.
    »Ein alter französischer Roman. Balzac.«
    Joosabs Haus befand sich an der Rückseite seiner Schneiderwerkstatt. Es gab da einen kleinen Garten, in dem weder Gras noch Blumen wuchsen und in dem ein Elefant aus Beton stand,dessen Kopf ein leeres Vogelbad schmückte. Die Hausfassade war grellblau gestrichen. Die Glocke schellte lange, bevor Ahmed, Joosabs zweiter Sohn, die Tür öffnete; er wurde schweigend über das Linoleum in das beste Zimmer mit einem großen Eßtisch und einer Kredenz geführt, auf denen jeweils eine Platte aus Spiegelglas lag. Joosab mußte irgendwo im Hausinneren gearbeitet haben, obwohl der Laden geschlossen war, und erschien mit silberdurchwirkten Gummibändern, die die Ärmel seines strahlendweißen Hemdes zurückhielten, und mit dem üblichen Maßband um den Hals. Es bereitete ihm ungeheure Schwierigkeiten, zur Sache zu kommen, worum es sich dabei auch immer handeln mochte; er bot Tee an, einen gekühlten Drink – dazwischen immer blitzartige Einwürfe, daß die »Dinge nun einmal so liegen«, die Hitze, die Dürre –, durchaus bereit, die Tumulte und Brandlegungen als irgendeine Art saisonbedingter Naturerscheinung zu deuten, sollte man das für taktvoller halten. »Sie machen sich Sorgen, mein lieber Joosab. Aber ich weiß nicht, womit ich Sie beruhigen könnte. Oder auch mich. Zyniker werden händereibend feststellen, daß mit der Unabhängigkeit überhaupt nichts gelöst ist. Leute wie wir hätten sich immer darüber im klaren sein sollen, daß die Unabhängigkeit erst den Anfang aller Lösungen bedeutet. In dem Augenblick, wo man sie gewinnt, hat sie schon aufgehört, Ziel zu sein.«
    »Sie haben ja so recht, Colonel, Sie sind so klug. Es ist ein Vergnügen, mit jemandem wie Ihnen zu sprechen. Sie haben keine Vorstellung, was ich mit ein paar von diesen Leuten durchmache. Ich sage zu ihnen, es hat keinen Sinn, den jetzigen Zustand mit früher zu vergleichen. Aber sie sind nervös, verstehen Sie? Sie sagen, wozu die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und die Gandhi-Halle wurde aus Gemeindebeiträgen errichtet. Ich erkläre ihnen, dann ändert doch den Namen, wenn ihr ständig Angst davor habt, daß eure Investitionen in Gefahr sind. Gandhi hat nicht an Investitionen geglaubt. Aber sie sind nervös – Sie verstehen, was ich damit sagen will?«
    »Nun, im Augenblick laufen dort natürlich ohnehin

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