Der Ehrengast
berittenen Polizei gewesen war. Er bestellte einen Drink und beobachtete die Frösche, die mit der Aufmerksamkeit von Taschendieben die Menschen im Auge behielten, während sie nach fliegenden Ameisen schnappten, die von der Lampe herab auf den Verandaboden fielen. Mrs. Pilcheys Katze kam, um sich ihrerseits an die Frösche heranzupirschen, und er verjagte sie. Zum ersten Mal empfand er Interesse andem Zeug aus dem Erziehungsministerium, das im Wagen lag; die kleine Schule und der Lehrer waren der Grund. Bisher war diese Arbeit für ihn nichts Reales gewesen, weil er nicht sicher war, wie sie aussehen sollte. In Gedanken hatte er sie akzeptiert als etwas, was er »aus persönlichen Gründen« übernommen hatte: etwas, was im Augenblick nicht in Frage gestellt zu werden brauchte, über dessen objektiven Wert man sich allerdings keinerlei Illusionen machen durfte. Er ging zum Wagen, um den Ordner zu holen; er konnte ihn kurz überfliegen, während er seinen Aperitif austrank.
Als er zur Veranda zurückkehrte, stand auf den Stufen der Schullehrer in einem Mantel, der aus den Restbeständen der Armee stammte, den Hut in der Hand. Bray hatte den Eindruck, daß er draußen im Schatten gewartet hatte, vielleicht unsicher, welches unter all den Gesichtern von weißen Männern, die sich im Licht von der Dunkelheit abhoben, dasjenige war, das er suchte. »Ah, gut … bestens … das ist mein Glas, denke ich …«, und dann setzten sie sich. Er bestellte das Bier, das der andere wollte. »Ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt vorgestellt habe, Bray, James Bray – und Sie …?«
Der Lehrer räusperte sich und neigte sich vor. »Reuben Sendwe. Reuben Send-we.« Dann nickte er zur Bestätigung dieser Identität und lehnte sich wieder zurück.
Er war natürlich daran gewöhnt, herbeizitiert zu werden und sich Dinge anhören zu müssen; Bray wußte, daß der Umstand, daß er im Hotel etwas trinken durfte, daran nichts änderte. Wahrscheinlich konnte man ihn bestenfalls so weit bringen, daß er vergaß, daß er da war. Bray redete vorerst einmal über
sich
, darüber, wie er für die britische Regierung gearbeitet hatte, Bezirkskommissar in Gala gewesen war und sich dann im Colonial Office – wie er sich ausdrückte – »unpopulär« gemacht hatte. »Aber all das ist altes Zeug, nicht besonders interessant« – er wollte mehr über die Schule, über Schulen und das Unterrichten in diesem Distrikt im allgemeinen erfahren. Sendwe hatte an höherer Schulbildung das genossen, was die Missionsschule vonRungwa zu bieten hatte. Natürlich kannte er Pater Benedict. »Die Patres erzählten mir heute früh, daß die Regierung die Schule übernehmen wird. Was halten Sie davon?« Sendwe sagte: »Sir, ich wünschte, ich wüßte, wieviel Geld unsere Regierung hat.« »Ja, Geld …? Und, weiter.« Er leckte seine trockenen Lippen. »Wenn unsere Regierung genug Geld hat, dann müssen wir alle Missionsschulen übernehmen. Wenn wir die Missionsschulen nicht gehabt hätten, als ich ein Kind war – eine andere höhere Schule gab’s für mich nicht. Wußten Sie, daß die englische Regierung bloß diese eine kleine Schule neben dem
boma
hatte? Aber sofern Geld vorhanden ist, wäre es das beste, wenn das ganze Erziehungswesen einheitlich wäre und alle Kinder die gleichen Chancen erhielten. Und dann, verstehen Sie, unsere Regierung kann sich nicht sagen, also gut, dort steht eine Missionsschule, in der Nähe von diesem Dorf oder von jenem Dorf, wozu müssen wir unbedingt noch eine hinstellen – Sie verstehen, wie ich das meine?«
»O ja, genau.«
»Genau das hat die englische Regierung gemacht, aber unsere Regierung darf jetzt nicht das gleiche tun. Und deshalb müssen wir die Missionsschulen schließen. Nicht etwa, weil die Patres keine guten Leute wären. Ich behaupte das nicht. Von uns behauptet das niemand. Die Europäer dürfen nicht sagen, wir würden die Leute aus den Missionen hinauswerfen; wir müssen einfach in unserem Land unsere eigenen Schulen haben, das ist alles. Ich würde bloß gerne wissen, ob wir das Geld dafür haben.«
»Ich glaube, das habt ihr«, sagte Bray, »aber die Lehrer habt ihr nicht, und da liegt das Problem. Ich hoffe, ihr könnt die Lehrer an den Missionsschulen dazu überreden, daß sie die Leitung ihrer Schulen an die Regierung abtreten und trotzdem bleiben und weiter unterrichten. Und selbst dann wird man von irgendwo – von irgendwo außerhalb des Landes – Hunderte von Lehrern herholen
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