Der Eid der Heilerin
wahr.«
»Ja, es ist wahr.«
»Dann möge der Herr uns schützen und führen.«
Eine seltsame Begrüßung unter zwei alten Freundinnen, dachte Sergeant Cage, verscheuchte den Gedanken jedoch wieder und eilte zu den überfüllten Stallungen zurück, wo ihn eine lange, arbeitsreiche Nacht erwartete. Dabei stieß er auf Anne, die mit einem Arm voll Kleidern aus den Gemächern der Königin kam.
»Nun, Kind, willst du mich nicht begrüßen, wo ich einen so langen Weg gekommen bin, um mit dir Weihnachten zu feiern?«, fragte Deborah.
»Deborah!« Anne strahlte. »Oh, ich bin so froh, dass du hier bist. Es ist alles so schwierig ... der König ist...«
Jehanne fiel ihr ins Wort, als sie bemerkte, dass sich Sergeant Cage noch immer in Hörweite befand. »Pst, Mädchen.
Bring die Kleider der Königin zur Wäscherei. Sorg dafür, dass die Waschfrauen die Flecken auf dem goldenen Gewand besonders sorgfaltig behandeln. Anschließend kannst du dich zu einem Weihnachtstrunk zu uns gesellen.«
Anne gehorchte. Aber als sie ging, warf sie den beiden Frauen, die in den dunklen Fluren hinter den Zimmern der Königin verschwanden, einen verunsicherten Blick zu.
Die vergangenen Tage waren sehr schwierig für Anne gewesen. Sie wusste, dass der König und die Königin sich uneins über ihre Stellung in Elizabeths Hofstaat waren. Als Edward von der Bitte seines Schwiegervaters berichtet hatte, Anne für den Rest der Weihnachtszeit »auszuleihen«, um die Herzogin aufzuheitern und ihr alterndes, einstmals schönes Gesicht mit einigen von Annes Mixturen behandeln zu lassen, hatte die Königin mit ihrer typischen Launenhaftigkeit reagiert und ihre Zustimmung verweigert, was Edward sehr erzürnte. Elizabeth hatte ihre Unzufriedenheit mit Anne vergessen, nachdem diese ihr einen Tee aus arabischem Ingwer zubereitet hatte, der ihre morgendliche Übelkeit lindern half.
Der König schäumte innerlich vor Wut, konnte aber nichts dagegen tun. Für ihn wäre es zweifellos einfacher gewesen, hätte Anne nicht den ganzen Tag unter den Augen der Königin zugebracht. Wann immer er sich in den Gemächern seiner Frau aufhielt, empfand er Annes Gegenwart als zutiefst beunruhigend, da er nichts lieber wollte als sie ansehen, sie berühren und sogar mit ihr sprechen. An einem anderen Ort hingegen könnte er sein Werben, diese lange und ausgedehnte Offensive, die er wie einen Schlachtplan verfolgte, mit aller Geduld fortsetzen.
Anne wiederum konnte kaum atmen, wenn Edward zugegen war. Sie spürte, dass sie einem reißenden Gefühlsstrom ausgeliefert waren, einer gefährlichen, süchtig machenden Anziehungskraft. In den vergangenen zwei Tagen war es ihr gelungen, bestenfalls Banalitäten mit dem König auszutauschen, doch es war ein Spiel, das sie verwirrte, denn wohin sie auch ging, er schien stets da zu sein. Sie konnte seine Gegenwart in jedem Winkel der Gemächer der Königin spüren.
Edward erging es nicht besser. Er wusste, dass sein Handel ein geschickter Schachzug war, und hatte richtig angenommen, dass ihre Verliebtheit sehr tief ging. Einem sechzehn- oder siebzehnjährigen Mädchen wie ihr war nicht zuzutrauen, den begehrlichen Blicken, die er ihr zuwarf, standzuhalten. Trotzdem beeindruckten ihn ihre Willensstärke, ihr Kampf um Selbstbeherrschung, was das Spiel nur umso reizvoller machte. Er hatte schon lange nicht mehr so aufgeregt die Entwicklung eines Liebesabenteuers verfolgt. Er musste nur die Augen schließen, schon sah er sie nackt in seinem Zimmer, ihre herrliche Haut in den Schein des Feuers getaucht, ihr Mund bereitwillig geöffnet ... Am liebsten hätte er sie irgendwohin mitgenommen, wo sie allein sein konnten, wo er sie berühren, sie küssen, sie einfach nur ansehen konnte. Beide wussten das, und bald hätten sie nicht mehr die Kraft, ihre Gefühle zu verleugnen.
Jetzt aber, nach der kurzen Begrüßung von Deborah, lief Anne nach unten, wo sich die Wirtschaftsräume der königlichen Gemächer befanden und wo die Waschfrauen selbst im Winter ihrer schweißtreibenden Arbeit nachgingen, wenn auch nur für Elizabeth. Die übrigen Bewohner des Schlosses warteten auf den Frühling, um ihre schmutzige Winterkleidung waschen und trocknen zu lassen.
Eine der Waschfrauen, Mary, konnte Anne besonders gut leiden. Sie verstand es, selbst mit der übellaunigen Rose fröhlich zusammenzuarbeiten. Mary brachte gerade einen Kessel Quellwasser zum Kochen und löste zerstoßene Kernseife darin auf, um die wollenen Kleider der Königin zu
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