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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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sie sich schmerzhaft die Zehen. Beruhigendes Licht, Wärme und Lärm strömten in den dunklen Treppenschacht. Der Duft von Gebratenem, von Fett, Butter und frisch gebackenem Brot stieg ihr in die Nase. Die Angst ließ nach und machte einem nagenden Hungergefühl Platz. Zu schade, dass sie mit dem Frühstück bis nach der Messe würde warten müssen.
    »Anne!« Vor ihr stand Piers Cuttifer, Mathews einziger Sohn, ein hoch gewachsener, kräftiger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, mit stählernen, grauen Augen, den so manches Mädchen im Haus anhimmelte. Aus seinem scharfen Körpergeruch und seinem weinsauren Atem schloss sie, dass er die Nacht durchgezecht hatte. Leicht schwankend stand er vor ihr und grinste sie an.
    Melly hatte Anne schon vor längerem vor Piers gewarnt, der nur zu gern mit den Mädchen in der Dienststube seine Spielchen spielte: Zum Beispiel schlich er auf Filzpantoffeln durchs Haus, tauchte unvermittelt hinter den Mädchen auf, die ihre Arbeiten verrichteten, und griff ihnen mit seinen gierigen Fingern in ihre Mieder oder sogar unter die Röcke. Anne hatte sehr schnell gelernt, ihm tunlichst aus dem Weg zu gehen. Nun sammelte sie ihre ganze Würde und deutete vor dem stinkenden, unrasierten Mann einen steifen Knicks an. »Master Piers. Ich wünsche Euch einen guten Morgen am Namenstag Eures Vaters.«
    »So förmlich, Anne. Komm, sei ein bisschen nett zu mir, Küss mich, sonst sterbe ich vor Sehnsucht, ich schwör's.«
    Anne sah, dass das Küchenpersonal sie neugierig beobachtete, vor allem Corpus, der mürrisch am Herdfeuer hockte, sich den Rücken wärmte und versuchte, der Arbeit aus dem Weg zu gehen. Unter züchtig niedergeschlagenen Augen blickte sich Anne in der Küche um. Nun war sie tatsächlich auf Maitre Gilles' Hilfe angewiesen, wenn sie wieder im Dachzimmer sein wollte, ehe die Herrin erwachte, und Aveline keinen Anlass geben wollte, sie zu schikanieren.
    »Ich habe etwas für Eure Mutter zu erledigen ...«
    »Für meine Stiefmutter, Anne. Sie war acht, als ich geboren wurde. Sie hätte eine seltsame Mutter abgegeben, nicht wahr?« Er lächelte sie gewinnend an und kam noch einen Schritt näher, so dass sie sich mit dem Rücken an die Wand pressen musste. Wieder huschten ihre Augen durch die Küche - wo war nur Maitre Gilles?
    »Hier bin ich, kleine Anne. Womit kann ich dienen?«
    Erschrocken zuckte Anne zusammen, als Maitre Gilles sie an der Schulter berührte. Hatte er ihre Gedanken gelesen? »Oh, Sir, ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr jemanden abstellen könntet, meiner Herrin Wasser zu bringen. Sie schläft noch, doch Aveline muss sie bald wecken, wenn sie rechtzeitig für die Messe fertig sein will«, stammelte Anne dankbar.
    »Warum hast du nicht gesagt, dass du Unterstützung brauchst, süße Anne? Ich bin gern bereit, meiner liebsten bellemere zu helfen. Ein kleiner Bußgang an einem heiligen Tag wie diesem.« Piers vollführte eine tiefe, spöttische Verbeugung.
    Anne zitterte bei dem Gedanken, dass Piers ihr die dunkle Treppe nachsteigen könnte. »Nein, Sir, sonst würde ich Euch von Eurem Bad abhalten.« Die letzten Worte kamen mit einem Anflug von Schärfe über ihre Lippen, denn sein Gestank war wahrlich abstoßend.
    Er grinste sie an und fletschte die Zähne wie ein Hund oder ein Wolf. Dann kam er noch näher, drückte sie fast an die Wand und versperrte ihr mit seinen kräftigen Armen den Weg. Furchtlos sah sie ihm in die Augen, bis er den Blick abwandte. Sie war mit den Tieren des Waldes groß geworden und wusste ihre Angst vor Piers geschickt zu verbergen.
    Maitre Gilles entspannte die Situation, indem er rief: »Corpus! Beweg deine Knochen und bring heißes Wasser!« Der runzelige, kleine Mann verzog das Gesicht, erhob sich jedoch von seinem warmen Platz. Der Koch wandte sich mit ruhiger Stimme an Piers. »Sir, es ist sehr freundlich von Euch, sich um das Wohl selbst der niederen Dienerschaft dieses Hauses zu sorgen. Gott ist wahrlich gütig. Doch es besteht keine Not. Es ist die Aufgabe dieses wertlosen Kerls«, meinte er mit einer Handbewegung in Richtung des Alten, der brummelnd neben ihm stand, »Eurer Mutter das Wasser hinaufzuschaffen. Ich bitte Euch, Sir, hindert ihn nicht, diesen letzten Dienst, zu dem er noch fähig ist, auszuüben.«
    Ohne Piers Antwort abzuwarten, flüchtete sich Anne auf die dunkle Wendeltreppe und nahm eilig eine Fackel aus der Halterung, um den Weg nach oben zu beleuchten.
    »Du Teufelsbrut, du Hündin. Den stinkenden

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