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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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alle hatten dem entsetzten Mathew erzählt, dies sei die einzige Möglichkeit, dem Körper jene bösen Säfte zu entziehen, die die zehrende Krankheit seiner Frau verursachten. Auch hatten sie die Einnahme von Quecksilber angeordnet, das mit Gartenraute in altem Wein aufgekocht und ihr so oft wie möglich verabreicht werden sollte, denn Quecksilber ersetzte angeblich die geschwächten Lebensgeister. Anne jedoch hatte genau beobachtet, wie Margaret jedes Mal, wenn sie die dunkle, klebrige Flüssigkeit einnahm, tiefer und tiefer in jene fremde Welt zwischen Leben und Tod versank.
    Schließlich hatte Anne den Mut aufgebracht, mit Jassy zu sprechen. Ihrer Meinung nach, der Meinung eines einfachen Dienstmädchens vom Lande, töteten die Ärzte ihre Herrin mit ihrer Behandlung. Leben und Tod lagen in Gottes Hand, doch die Mistress brauchte mehr Blut statt weniger, wenn sie die Krankheit in ihrem Körper besiegen wollte. Wäre es nicht besser, all diese »Medizin« wegzulassen und zu versuchen, Margaret mehr Nahrung zuzuführen? Anne wusste, wie verhungernde Menschen aussahen, und ihre Herrin hatte eine erschreckende Ähnlichkeit mit den ausgezehrten Dörflern, die sie während einer Hungersnot als Kind gesehen hatte.
    Mathew war immer verzweifelter geworden, obwohl alle im Haus Tag und Nacht für Margarets Genesung beteten und er Vater Bartolph ungezählte Fürbitten für seine Frau hatte sprechen lassen. Als Jassy sich ein Herz nahm und ihm Annes Überlegungen mitteilte, war es, als lüftete sich ein Schleier. Beinahe zu spät erkannte er, dass sein übermäßiger Glaube an die moderne Medizin seinen gesunden Menschenverstand vernebelt hatte.
    Er hatte nach Anne und Aveline geschickt und sie befragt. Aveline, die eifersüchtig auf Anne war, hatte zuerst nicht zugeben wollen, dass es ihrer Herrin schlechter ging, wann immer sie die von den Ärzten verschriebene, übel riechende Medizin einnahm. Doch am Ende hatten Eigennutz und die Aussicht, möglicherweise doch ihre Stellung im Haus wahren zu können, dazu geführt, dass sie die Wahrheit sagte. Nun war die Frage gewesen, was zu tun sei, um Margarets Leben zu retten.
    Als Kind hatte Anne von Deborah häufig einen Stärkungstrank aus getrockneten Ringelblumenblüten, dem Saft zerquetschter Petersilie sowie Hagebutten, Knoblauch, Salbei, Honig und Fenchelsamen bekommen. Er regte den Appetit an und stärkte die Widerstandskräfte während der kalten Wintermonate. Vorsichtig hatte Anne den Vorschlag unterbreitet, diesen Trank auch für ihre Herrin zu brauen - schaden konnte er ihr nicht, höchstens helfen. Auch bat sie darum, Pudding aus dem Gelb frischer Eier und dem Blut lebender Bullen und eine dreifach gekochte Brühe aus dem Fleisch und den Knochen von Hühnern kochen zu dürfen.
    Ob es nun daran lag, dass die »Medizin« abgesetzt und kein Aderlass mehr durchgeführt wurde oder dass der Heiltrank und die Puddings, die man ihr zu kochen gestattete, Wirkung zeigten, wusste sie nicht. Jedenfalls beobachtete Anne beglückt, dass ihre Herrin ganz langsam wieder zu Kräften kam. Und nun war der Festtag endlich gekommen.
    Anne hatte die letzte Perle angenäht. Sie biss den Faden ab, rieb die kostbare Nadel sorgfältig mit weißer Kreide ein, damit sie nicht rostete, und verstaute sie in einem kleinen, eingefetteten Lederbeutel in der Leinentruhe. Bald war es Zeit, Aveline und Lady Margaret zu wecken, doch zuerst wollte sie aus der Küche Wasser zum Waschen holen. Sie seufzte. Gewiss war das gesamte Küchenpersonal bereits mit den Vorbereitungen für den großen Tag beschäftigt. Sie würde also Corpus bitten müssen, ihr zu helfen, ob er wollte oder nicht. Sie rüttelte Aveline, damit sie aufwachte, und bevor sie sich die verschlafenen Augen ausreiben konnte, war Anne schon aus der Tür geschlüpft.
    Anne tastete sich, so schnell sie konnte, die steile Treppe hinab. Sie hatte versucht, Jassy dazu zu bringen, richtige Laternen im Treppenhaus aufhängen zu lassen - Laternen, die länger brannten als die unzuverlässigen teergetränkten Holzstücke, die einfach in die Wandhalterungen gesteckt wurden doch die Haushälterin hatte gesagt, dies sei eine unnütze Verschwendung, und Aveline hatte sich über Annes Angst vor der Dunkelheit lustig gemacht.
    Natürlich hatte die Haushälterin wichtigere Sorgen als die Albträume einer fünfzehnjährigen Kammerjungfer, aber Aveline weidete sich wie üblich an Annes Ängsten. Als sie nun zur Küche lief und die steinerne Tür aufschob, stieß

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