Der Eid der Heilerin
unter sich die konzentrierten Gesichter der Leute, die sich für die Aufführung bereit machten, und lächelte liebevoll. Das waren Leute, die sie verstand, brave Leute, die die seltenen arbeitsfreien Tage zu gestalten wussten. Von oben betrachtet wirkte alles reichlich durcheinander, und der Bürgermeister gab sich die größte Mühe, sich in dem Getöse Gehör zu verschaffen.
»Alle Engel stellen sich rechts von mir auf, und die Hirten ebenso. Hast du nicht gehört? Watkin Ireman, das gilt auch für dich. Ja! So ist recht. Magi? Wo steckst du denn? Genau, hier hinüber, neben die Maria. Nun macht schon, in Gottes Namen, sonst werden wir nie rechtzeitig fertig ...«
Auch Jehanne lachte leise. »Wäre das Leben doch nur so einfach wie dieses kleine Spiel. Wenn man die Menschen nur dazu bringen müsste, sich am richtigen Platz aufzustellen und dort zu bleiben.« Deborah nickte. Beide dachten an Anne, die schon seit Stunden fort war. Aber beide wussten, dass sie versuchte, mit Mathew Cuttifer zu sprechen.
»Verzeiht, dass ich so spät komme. Ihr habt Euch bestimmt gefragt, wo ich so lange bleibe.«
Es war Anne, deren Gesicht vom Laufen gerötet war. Aber bevor Jehanne ihrer Sorge Ausdruck verleihen konnte, wurde sie von lautem Geheul unterbrochen. Unter ihr, inmitten der Menschenmenge, war der Teufel erschienen.
Er war für die Aufführung ganz in Schwarz gekleidet, hatte aber einige Mühe, auf seine ausladenden Stoffflügel und seinen langen, schuppigen Schwanz Acht zu geben, denn die Leute scharten sich um ihn, um ihn in allen Einzelheiten zu betrachten. Der arme Bürgermeister sah aus, als bliebe ihm gleich das Herz stehen, als er versuchte, die Ordnung wiederherzustellen. »Die Flügel nicht berühren, sonst gehen sie kaputt. Perkin! Perkin! Wie oft muss ich es dir noch sagen. Da ist nichts unter dem Schwanz, wirklich nichts! Lass ihn los, und zwar sofort!«
Die drei Frauen auf der Empore mussten von ganzem Herzen lachen, als Perkin beschämt den Teufelsschwanz sinken ließ, aber erst, nachdem der geplagte Herrscher der Hölle ihn wütend mit seinem Dreizack gepiekst hatte. In diesem Moment schnitt ein scharfer Ton durch das Stimmengewirr - Fanfarenstöße kündigten den König an.
Lärmend rottete sich die Menge zusammen, und es wurde fast gänzlich still, als der Hofstaat, angeführt von Edward und Elizabeth, den Saal betrat und durch die sich verneigenden Städter zu den Thronen schritt.
Auf ein Zeichen von William Hastings trat der Bürgermeister vor und räusperte sich. »Eure Majestäten, wir, Eure treuen und glücklichen Untertanen, wollen Euch die Geschichte von der Geburt unseres Heilands vorführen. Dargestellt zu Eurem Wohlgefallen - und natürlich im Namen Gottes - von uns, die wir in Windsor leben.« Der Bürgermeister brachte seine kurze Rede mit Anstand zu Ende und vollführte eine gekonnte Verbeugung, die einem Höfling Ehre gemacht hätte. Ein wohlmeinendes Raunen ging durch den Saal, immerhin war Weihnachten. Anne sah nach unten und verspürte einen Anflug von Verbitterung. An einem Tag wie diesem war der Hof milde gestimmt, an jedem anderen Tag hätte man die Geste dieses Mannes als Anmaßung empfunden. Doch der König war der Herr, und heute war er geneigt, sich freundlich zu zeigen.
»Gegrüßt seid Ihr und die Euren, Bürgermeister. Die Königin und ich danken Euch von ganzem Herzen für Euer freundliches Bemühen, uns und den ganzen Hof zu unterhalten. Das Spiel möge beginnen.«
In Windeseile leerte sich der Platz vor dem Podium, und kurz darauf erfüllte der wehmütige Ton einer Flöte die stickige Luft des Saals. Wie auf Kommando wandten die Zuschauer den Kopf und erblickten einen hübschen, ganz in Grün gekleideten jungen Mann, der, auf einer einfachen Knochenflöte spielend, in den Saal einzog.
Feierlich ging er bis zum Podium, wo er sich tief verbeugte und sich vorstellte. »Ich heiße Robin, der Grüne Robin, und ich bin gekommen, Euch von der Geburt eines Königs vor langer, langer Zeit in einem fernen Land zu künden.« Die Zuschauer seufzten und lehnten sich zufrieden zurück. Sie liebten die Geschichte, auch wenn sie sie schon oft gehört hatten.
Während das Krippenspiel seinen Lauf nahm, berichtete Anne leise von ihrer Unterredung mit Mathew Cuttifer. »Natürlich müssen wir den Brief finden, aber bis dahin musst du dich verstecken«, sagte Jehanne nachdrücklich, als sie geendet hatte.
»Verstecken?« Anne erstarrte. Jehanne schien es ernst zu meinen.
»Mathew
Weitere Kostenlose Bücher