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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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gemustert. Doch Gott meinte es in diesem Jahr gut mit ihnen. Schon am frühen Morgen riefen die Nachbarn einander zu: »Schau nur, der Himmel ist wolkenlos«, und das war er in der Tat - selbst die Luft fühlte sich sanft an, und die letzte Kälte hatte sich verzogen. Uberall war das Geräusch eiliger Schritte zu hören. Die Leute drängten sich in ihren neuen Festtagsgewändern in den Straßen und strömten auf die Wiesen vor der Stadt, wo das Maifest begangen wurde.
    Manche sagten sogar, das schöne Wetter sei ein Omen, denn dieser Tag war auch der Jahrestag der Hochzeit von König Edward und Elizabeth Wydeville. Gewiss wollte der Herr auf diese Weise seine Zustimmung zu der Verbindung zeigen - auch wenn Lord Warwick die Heirat immer noch missbilligte. Vielleicht änderten sich die Zeiten endlich, und die Zukunft wurde wirklich so golden wie dieser Morgen. England hatte eine wunderschöne, frisch gekrönte Königin, die kurz vor der Entbindung stand, und einen stattlichen, jungen Kriegerkönig, der danach strebte, wieder Ordnung in sein zerrüttetes Land zu bringen. Es war wahrlich ein Tag zum Feiern. Die Kinder, die an diesem Tag gezeugt wurden, würden in eine sicherere Welt geboren werden, eine Welt, die von Jugend und Schönheit regiert wurde.
    So dachten die Leute. Doch Mathew Cuttifer war nicht ganz so optimistisch. Seit Avelines und Piers' Hochzeit hatte es zahlreiche Veränderungen am Königshof gegeben; keine guten Veränderungen, wie ihm schien. Während er im Kreis seiner Familie und Dienstboten der Frühmesse lauschte, gingen ihm die ständigen Konflikte zwischen dem König und Warwick nicht aus dem Kopf. Gleich würde er seinen Leuten erlauben, auf die Wiesen nach Chelsea zu ziehen, doch zuerst mussten sie Vater Bartolphs strenge Worte über die Unbesonnenheit und Verlockungen des Fleisches über sich ergehen lassen. Doch nach den Entbehrungen der Fastenzeit, die auf einen langen, kalten Winter gefolgt waren, waren die Dienstboten nicht in der Stimmung, dem Pfarrer zuzuhören. Sie schwiegen unwillig, als dieser mit donnernder Stimme verkündete, zwischen den Weinfassern und den heidnischen Freudenfeuern schleiche der Satan umher, vor allem aber lauere er auf diesen abscheulichen Maibäumen mit ihren schmutzigen Bräuchen. Vater Bartolph beschwor die Frauen von Blessing House, vor allem aber die jungen Mädchen, an diesem Tag bei ihm zu bleiben und auf Knien die Mutter Maria, die Schutzheilige ihres Herrn, um Hilfe für all jene verderbten Seelen zu bitten, die sich durch Lust und Völlerei der Verdammnis hingäben.
    Der Pfarrer tat sein Bestes, aber selbst Mathew bemerkte nach einer Weile, dass es für heute wohl genug war. Außerdem würde sehr bald eine neue Generation in Blessing House einziehen - noch in der Nacht war er von Margaret geweckt worden, die ihm mitgeteilt hatte, dass Aveline in den Wehen lag. Er würde den Pfarrer bitten, für das neue Kind und seine Eltern zu beten.
    Tief in seinem Inneren musste Mathew sich eingestehen, dass ihm die Geburt dieses Kindes sehr viel bedeutete. Gewiss würde das Kind, mit Marias Hilfe, die Brücke zwischen ihm und Piers schlagen, die er so verzweifelt ersehnte. Dafür betete er, denn die vergangenen fünf Monate waren die aufwühlendsten seines ganzen Lebens gewesen. Manchmal war er der Verzweiflung nahe gewesen. Er war dem Rat des Herrn gefolgt und hatte Piers in diese Ehe gezwungen, doch es hatte den Anschein, dass nur Böses daraus erwuchs. Aber das durfte nicht sein. Gott hatte zu ihm gesprochen, und er hatte ihm gehorcht. Und von seinem Sohn hatte er gleichermaßen Gehorsam erwartet.
    Von allen Mitgliedern des Haushalts hatte er am meisten Grund zu fürchten, was Piers seiner Frau in der Abgeschlossenheit seines Zimmers antat. Aber er wusste nicht, wie er dagegen einschreiten sollte. Er hatte die Heirat veranlasst, und Piers bestrafte ihn nun dafür, indem er seine Frau leiden ließ. Mathew fühlte sich machtlos. In den letzten Monaten war er oft versucht gewesen einzuschreiten, doch wann immer er Vater Bartolph um Rat fragte, hatte dieser ihn davor gewarnt.
    Der Pfarrer hatte ihn daran erinnert, dass vor Gott der Mann der Hüter seiner Frau war. Er war das Oberhaupt der neuen Familie im eigentlichen Sinn des Wortes, und ihr Leib war ihm am Tag ihrer Hochzeit angeeignet worden. Wie die geduldige Griselda musste sie lernen, seinem Willen zu gehorchen, und wenn Gott Piers erlaubte, Aveline zu züchtigen, vielleicht zu ihrem eigenen Besten, durfte

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