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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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unterdessen mit William Hastings in seinen Privatgemächern im Palast und wartete auf Nachricht von der Königin. Jetzt, wo es endlich so weit war, wurde seine Erregung von Furcht gedämpft. Um den König zu zerstreuen, hatte Hastings für den frühen Abend Gaukler in den Palast bestellt, und eine Zeit lang hatte sich der König an den derben Scherzen und anzüglichen Szenen ergötzt. Sie hatten ein anstößiges französisches Stück über Leda und den Schwan aufgeführt. Doch im Laufe der Stunden verdüsterte sich die Stimmung des Königs, der die Königin auf seine Weise aufrichtig liebte.
    »Wo ist Moss? Wir haben seit über einer Stunde nichts mehr von ihm gehört.«
    Hasting gab sich alle Mühe, seinen Herrscher zu beruhigen. »Sire, wir können nach ihm schicken, wenn es Euch beliebt.«
    Der König schritt nervös auf und ab und sah auf den Fluss hinunter, der schwarz dahinfloss. Dann nickte er knapp, und ein Edelknabe eilte, den Doktor zu rufen.
    Im Geburtszimmer schwitzte Doktor Moss beinahe ebenso so stark wie die werdende Mutter. Seine Hauptsorge war das Herz, von dem er fürchtete, es könnte der Belastung nicht standhalten. Wenn er nicht bald die Geburt einleiten konnte, würde sie einen Anfall erleiden und womöglich sterben.
    Der Doktor war kein religiöser Mensch, doch nun begann er zu beten und flehte Gott, den heiligen Hippokrates und die heilige Anna an, ihm bei der Geburt dieses Kindes beizustehen, denn er war mit seinen Künsten am Ende. Er benötigte Hilfe. Zwei verschreckte Mönche aus der Abtei waren bereits Zeugen seiner Furcht und seiner Verzweiflung geworden, als sie in der Nacht zuvor ihre kostbare Reliquie, den Gürtel der Jungfrau, hatten herbeischaffen müssen - die selbst bei schwierigsten Geburten als verbürgte Hilfe galt.
    Der verblichene Stoffstreifen hatte nichts bewirkt. Doch nun fiel ihm etwas ein, etwas gänzlich Unmögliches, eine verrückte Idee, an die er sich jedoch wie ein Ertrinkender klammerte. Anne, das Mädchen aus Blessing House. Die Haushälterin hatte ihm erzählt, sie hätte eine Art Paste hergestellt, das bei dieser anderen Frau - die, die ihren Mann ermordet hatte. Alyce? Nein, Aveline hieß sie - die Geburt beschleunigt habe.
    Halb von Sinnen vor Angst gab er seinem Gehilfen Tom eine kräftige Ohrfeige und schickte ihn auf dem schnellsten Weg zum Haus des Kaufmanns, um das Mädchen zu holen. Auf die späte Stunde und den Schlaf der Hausbewohner konnte er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.
    Tom, dessen Angst vor seinem Herrn größer war als die vor irgendeinem Kaufmann, gelang es irgendwie, den Torwächter zu überreden, ihn einzulassen und zur Haushälterin zu bringen. Als Jassy Toms Begleiter, vier livrierte Soldaten aus dem Königspalast, erblickte, verlor sich ihr anfängliches Misstrauen, vor allem als ihr der Knabe stammelnd von den Geburtsschmerzen der Königin berichtete. Und auch Mathew ließ sich überzeugen, als Tom zu ihm vorgeführt wurde.
    Also wurde Anne, die sich hastig etwas übergeworfen hatte, hinter dem schlaksigen Knaben aufs Pferd gehoben. Jassy, die sie begleitete, saß hinter einem der anderen Männer, der auf ihre atemlosen Fragen immer nur »Wir müssen uns beeilen, Frau!« antwortete und weiter durch die leeren, regennassen Straßen sprengte.
    Wie in einem Wachtraum jagten fremdartige Bilder von riesigen, dunklen Palastgebäuden an Anne vorbei. Sie ritten durch ein Tor, fremde Hände halfen ihr vom Pferd, dann wurden sie und Jassy an einem Wachposten vorbei im Laufschritt in das Innere des Palastes geführt. Es ging gewundene Treppen hinauf, über endlose, dunkle Höfe und durch lange Flure. Sie kamen an verschlafenen, bleichen Wachmännern, Dienstboten und neugierig wispernden Gruppen von Höflingen vorbei, die sich hastig angezogen hatten, bis sie endlich vor den Gemächern der Königin standen.
    Jassy musste im Vorzimmer warten, während Doktor Moss Anne eilig in das kleine Geburtszimmer schob und dabei dem königlichen Edelknaben, der auf Nachricht für seinen Herrn drängte, wieder einmal die Tür vor der Nase zuschlug. Moss sprach dringlich, aber leise auf das Mädchen ein, damit die Hofdamen, die um das Bett versammelt waren, nicht hören konnten, was er sagte. Er packte Anne so fest am Arm, dass sie seine Finger bis auf den Knochen spürte.
    »Die Paste, Mädchen, was hast du in die Paste getan? Schnell, schnell.« Anne, der von all dem, was sie auf dem Weg durch den Palast gesehen hatte, noch ganz schwindelig war, brauchte

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