Der Eid der Heilerin
können, das Anwesen an ihn zu verkaufen, nachdem er ihr eine Leibrente ausgesetzt hatte.
Seine Spekulation war erstaunlich gut aufgegangen, und im Lauf der Zeit hatte er noch eine ganze Menge Land dazu erworben. Die kleinen, robusten Tiere, hervorragende Wollschafe, grasten das Heideland ab und mehrten sein Vermögen mit jeder Schur.
Seine Tochter Alicia und ihr Mann - ein Sprössling der mächtigen und einflussreichen Familie Raby, der als jüngerer Sohn jedoch keine Ländereien besaß und auch am Kriegshandwerk kein Interesse zeigte - hatten sich auf Burning Norton niedergelassen und vertraten dort seine Interessen. In seinem Testament hatte er den beiden das Anwesen vermacht, zu dessen Gedeihen sie eine Menge beigetragen hatten. Allerdings wussten sie noch nichts von ihrem Glück. Das hatte Zeit bis nach seinem Ableben.
Ja, Margaret hatte eine gute Entscheidung getroffen. Der Pfarrer der benachbarten kleinen Kirche war ein unbedarfter Mann, der kaum des Lateinischen mächtig war. Mit einer angemessenen »Zuwendung« an die Gemeinde würde er ihren Wünschen gewiss nachkommen.
Mathew brummte, was Margaret als Zustimmung nahm. »Ich glaube nicht, dass wir sie in geheiligter Erde begraben dürfen, aber vielleicht können wir den Pfarrer bitten, ihr Grab zu segnen, wenn wir sie auf unserem Anwesen bestatten. Vielleicht in dem Wäldchen oberhalb des Tals. Das wäre ein sehr friedlicher Ort.«
Beide fanden es seltsam, dass das Thema Aveline sie nicht weiter erregte. Mathew hatte während seiner qualvollen Totenwache kein einziges Wort des Vorwurfs gegen seine Schwiegertochter erhoben. Die Umstände ihres Todes waren für beide unvorstellbar, ja geradezu unaussprechlich, denn sie fühlten sich jeder auf seine Weise dafür verantwortlich. Ihnen blieb nur, Piers und seine Frau so ehrenvoll wie möglich zu beerdigen. Und zu versuchen, sich der Lebenden und deren Zukunft anzunehmen.
»Dann ist es so beschlossen «
Mathew nickte müde. Ja, er war einverstanden. Ein bedrückendes Bild schob sich vor sein inneres Auge: der schlichte Sarg seiner Schwiegertochter, der auf seiner langen, letzten Reise einsam auf einem Karren über die rauen Heidewege holpert.
Später am Abend sah auch Anne, die noch die Worte von Margaret im Ohr hatte, dieses Bild vor sich. Sie stand im Keller unter der Küche neben der offenen, alten Bretterkiste mit Avelines Leichnam. Die übrigen Hausbewohner waren beim Abendgebet, doch sie hatte sich damit entschuldigt, von den Ereignissen des Tages immer noch angegriffen zu sein. Als die Laterne in ihrer Hand nun die seltsam friedlichen Gesichtszüge des toten Mädchens hervorhob, nahm Anne das Messer, das Piers getötet hatte, und steckte es in eine Rockfalte der Toten.
»Eisen zum Schutz vor den hungrigen Seelen der Nacht«, flüsterte Anne.
Dann legte sie ein in Stoff gewickeltes Päckchen Salz in die gefalteten Hände der Toten. »Salz für das Licht, das ich für dich anzünden werde.« Sieben Nächte lang wollte Anne eine Kerze im Fenster anzünden und Salz über die Flamme streuen. Das blaue Licht sollte der Seele ihr Zuhause weisen, bis es an der Zeit wäre, dass sie weiterzöge.
»Und wenn die Zeit gekommen ist, kannst du damit den Fährmann bezahlen ...« Vorsichtig legte Anne zwei Kupfer- Pennys, die sie von ihrem Lohn des letzten Quartalstags abgezweigt hatte, auf Avelines Augenlider. »Gesegnete Mutter, nimm die Seele meiner Schwester auf, behüte sie und lasse sie in deinem Garten ihr Glück finden.«
Es gab nicht nur eine anbetungswürdige Mutter - und ihr Gebet galt nicht der Mutter von Jesus Christus.
Die heilige Maria war gütig, doch Avelines Tod war nicht gütig gewesen. Deshalb betete sie lieber zu Aine, die die bittere Ungerechtigkeit von Avelines Tod begreifen würde; sie, die Göttin der Vertriebenen und Entrechteten, die Göttin all jener Menschen, die vor langer Zeit in den Westen Englands vertrieben worden waren. Aine war die Mutter der Mutterlosen und die Verteidigerin der Verlorenen. Sie würde den Weg erleuchten, wenn Avelines Seele ihre letzte, lange Reise antrat.
»Schlafe, Aveline. Schlafe sanft in den Armen der Mutter. Solange ich lebe, wirst du nicht vergessen werden.«
Hewlett-Packard
Kapitel 17
In der Nacht, als die Heimsuchung Marias gefeiert wurde, hielt ganz England den Atem an: Die Königin lag in den Wehen.
Warwick wusste, sollte das Kind ein Knabe werden, der Thronerbe, den sich ganz England wünschte, würde seine Macht schwinden. Er hatte mehrere
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