Der Eid der Heilerin
Hofdamen bestochen, um als einer der Ersten von der Geburt zu erfahren - wenn sie überhaupt vollbracht werden würde, denn von seinen Informantinnen wusste er von interessanten Neuigkeiten. Die Königin sei krank. Sie fantasiere im Fieber, und die Arzte seien sehr besorgt. Warwick rieb sich die Hände. Vielleicht gab es demnächst doch noch eine Heirat mit Frankreich.
Doktor Moss durchlebte eine entsetzliche Zeit. Auf Befehl des Königs hatte er in den vergangenen Wochen dreimal täglich die Königin aufgesucht und nach jeder Untersuchung mit sich gerungen, ob er dem König die Wahrheit sagen sollte.
Diese Schwangerschaft verlief anders als Elizabeth Wydevilles vorherige zwei Schwangerschaften, als sie ihrem früheren Mann, Lord Grey, zwei Söhne geschenkt hatte. Während der letzten Monate hatte sich in ihrem Körper Wasser angesammelt, wodurch ihre viel gerühmten feinen Gesichtszüge aufgedunsen waren und auch ihr Herz angegriffen war. Letzteres schloss Moss aus ihrem rasenden Puls und den quälenden Kopfschmerzen, unter denen sie litt. Wenn das Herz nicht richtig arbeitete, entwickelte sie womöglich eine Wassersucht, die ihre Arme und Beine bis zur Unbeweglichkeit anschwellen ließ. Mit Schrecken hatte er in den vergangenen Tagen an ihren Fingern erste Anzeichen dafür entdeckt. Ihre Ringe schnitten tief ins Fleisch, und ihre Füße waren so geschwollen, dass sie nicht mehr in ihre Lieblingspantoffeln passten. Er fürchtete ernsthaft um das Leben der Königin, sollte das Kind nicht sehr bald zur Welt kommen. Bei dieser Vorstellung wurde ihm heiß, denn der König würde zweifellos einen Schuldigen suchen, wenn sie sterben würde. Und er, der gefeierte Doktor Moss, wäre der wahrscheinlichste Kandidat dafür.
In seinem Zimmer im Palast, von wo aus er den Fluss und eine Ecke von Westminster Hall sehen konnte, brütete er nachts über den Büchern aus seiner Studentenzeit. Seine Bibliothek umfasste die Werke von Galen sowie Schriften aus Alexandria, die von der Kirche als Werke muslimischer Ärzte verboten waren, sowie die Darstellung einer illegalen Autopsie einer Schwangeren aus Mailand.
Abgesehen von allgemein akzeptierten Therapien wie das
Setzen von Blutegeln und das Schröpfen fand er nichts, was die Wasseransammlung hätte unterbinden können. Daher beschränkte er sich darauf, die Königin in heiße Tücher zu wickeln, um sie so viel wie möglich schwitzen zu lassen. Darüber hinaus verabreichte er ein Gemisch, zu gleichen Teilen bestehend aus zerdrückten Wacholderbeeren, heißem Wein und dem Urin einer schwangeren Stute, um ihre Harnausscheidungen zu unterstützen. Die Königin war keine einfache Patientin. Jede seiner Maßnahmen wurden nur geduldet, weil sie die Geburt des Prinzen beschleunigten. Elizabeth war überzeugt, dass sie einen Knaben gebären würde. Gott helfe uns allen, dachte Moss, wenn es ein Mädchen wird. Das würde die Hölle werden.
Nun war es spät in der Nacht, und er fror. Der heiße Juni hatte einem launischen Sommerwetter mit grauen Regentagen Platz gemacht. Nach zwei Wochen falschen Alarms hatten in dieser stürmischen Nacht endlich die Wehen eingesetzt, und er hatte das unerfreuliche Gefühl, an ein fliehendes Pferd gefesselt zu sein. Die Ereignisse überstürzten sich, und er fürchtete eine schreckliche Niederlage.
Die Augen des ganzen Hofes ruhten auf ihm, denn die Anwesenheit des königlichen Leibarztes bei der Niederkunft der Königin erregte allgemein Anstoß. Den meisten Frauen war die Gegenwart eines Mannes im Geburtszimmer höchst unangenehm. Seine Aufgabe sollte sich darauf beschränken, hinter einem Vorhang verborgen Ratschläge zu erteilen, um keinesfalls das Schamgefühl der Königin zu verletzen. Der König jedoch war ein fortschrittlich denkender Mann, der seine Jugend im Exil im Ausland zugebracht hatte, wo sich neue Ideen ungehindert ausbreiteten. Als Vorbild für seine Untertanen wollte er alle modernen Errungenschaften der Medizin nutzen. Edward persönlich hatte Elizabeth überredet, die Anwesenheit des Arztes bei der Geburt zu dulden.
Dieser stand nun inmitten einer Schar aufgeregter Weiber im Zimmer der Königin, wünschte sich jedoch so weit fort wie möglich. Die Wehen waren im vollen Gang, und die Königin schrie und krümmte sich, doch ihre Gesichtsfarbe war schrecklich anzusehen. Sie glühte vor Fieber, und ihre Hände, Füße und Beine waren dick geschwollen. Den Arzt verließ der Mut. Ihr Zustand war äußerst bedenklich.
Der König saß
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