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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Königin mit Prinzessin Elizabeth niedergekommen war. In dieser Zeit hatte es zahlreiche Veränderungen in Blessing House gegeben. Der erste Vorbote des Winters machte sich bemerkbar, als die Bäume im Lustgarten die letzten gelben Blätter abwarfen. Anne war dabei, ihre wenigen Habseligkeiten in eine kleine, eisenbeschlagene Reisetruhe zu packen, als Jassy ins Sonnenzimmer stürzte.
    »Bist du fertig? Unten warten sie schon auf dich.«
    Schweigend faltete Anne das letzte Kleid zusammen - es war ihr bestes Gewand, das grüne, das Lady Margaret ihr geschenkt hatte - und legte es auf die beiden anderen. Als das Mädchen die Kiste zuklappte, kam Jassy geschäftig herbei und half ihr, sie zu verschließen, damit sie auf der Fahrt nicht aufsprang.
    Anne sah sich ein letztes Mal in dem schönen Zimmer um, das über ein'Jahr lang ihr Zuhause und ihre Zuflucht gewesen war. Sehnsüchtig betrachtete sie die vertrauten Gegenstände. Sie zitterte. Vielleicht sah sie diesen Ort niemals wieder. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Nun, nun, nicht weinen«, sagte Jassy. Die Haushälterin, die es nicht gewöhnt war, Zuneigung zu zeigen, nahm das Mädchen unbeholfen in die Arme und wiegte es eine Weile wie ein kleines Kind, ehe sie verlegen die Arme sinken ließ. »Man könnte glauben, du wirst zum Henker geführt, du Dummerchen. Das ist eine einzigartige Gelegenheit für dich.«
    Anne bemerkte den Anflug von Neid in Jassys Stimme - denselben Unterton hatte sie in den vergangenen Wochen oft genug bei fast allen ihren Freundinnen gehört und auch bei jenen, die sie nicht sonderlich mochten. Die Königin persönlich hatte veranlasst, dass Anne in ihrem Hausstab eintrete.
    Sie konnte es noch immer kaum glauben. Nach der Nacht, als Prinzessin Elizabeth zur Welt gekommen war, hatte Doktor Moss die Königin davon unterrichtet, welche Rolle - welche geringfügige Rolle seiner Einschätzung nach - das Mädchen aus dem Hause Cuttifer bei ihrer Rettung und der ihres Kindes gespielt hatte. Dabei war auch zur Sprache gekommen, wie Anne ihre Herrin, Lady Margaret, geheilt hatte, und das hatte genügt. Kräuterwissen dieser Art konnte im königlichen Haushalt von Nutzen sein. Die Königin bat den König, Anne einstellen zu dürfen, damit sie ihr Wissen an ihre Hofdamen weitergeben könne. Doch die endgültige Entscheidung, das Mädchen auf Dauer einzustellen, fiel, als Anne im Auftrag von Doktor Moss einen Kräutertee zubereitete, mit dessen Hilfe das angestaute Wasser aus dem Körper der Königin geschwemmt und ihre Haut wieder strahlend klar wurde.
    Als Anne sich nun von ihren Freunden in Blessing House verabschiedet hatte, knickste sie vor ihrer Herrschaft, die am Ende der großen Halle Platz genommen hatte, um offiziell von ihr Abschied zu nehmen.
    »Ich werde deine Ziehmutter von deinem großen Glück wissen lassen. Wir erwarten, dass du der Königin mit derselben Hingabe dienst wie meiner Familie, Anne. Du wirst uns auf diese Weise Ehre machen.« Mathew stellte verwirrt fest, wie sehr ihn der Fortgang des Mädchens betrübte. Diener kamen und gingen wie überall, aber Anne hatte er wegen ihrer Freundlichkeit und ihres Muts ganz besonders schätzen gelernt - Eigenschaften, die selten genug bei einem jungen Menschen zu finden waren. Dennoch war es seltsam, dass ihm ihre Abreise derart zu Herzen ging.
    Mathews Frau verstand die Trauer ihres Mannes besser als er selbst, weil sie ebenso empfand und darüber nachgedacht hatte, was der Grund dafür war.
    Als die Anfrage vom Hof kam, hatten sie und Mathew keinen Augenblick gezögert, Anne gehen zu lassen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während Mathew es als ein großes Glück auffasste, dass einer seiner Dienstboten der Königin so nahe war - er hatte Anne eingehend über ihre Pflichten belehrt, die sie ihm für ihre Lehrzeit in Blessing House schuldete hatte Margaret etwas anderes gesehen.
    Im Lauf des letzten Jahres war Anne erwachsen geworden. Sie war gewachsen, bewegte sich anmutig, redete gewandt und wirkte wohlerzogen wie ein Dame von Stand. Ihr ungewöhnlich hohes Maß an Bildung, ihre oft bewiesene Loyalität und die Zuneigung, die sie und Anne nach den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Monate füreinander empfanden, unterschied Anne von anderen Dienstboten im Hause Cuttifer. Sie war sanftmütig und zugleich stark, eine grüne Weide, die in stillem Wasser wurzelte ... Mit ihrem Fortgehen würde ein kleines Licht in der Düsternis des großen, alten Hauses

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