Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Patrizier von Mailand?«, fragte Gisela, die neben ihm ritt. Smeralda tänzelte wieder feurig über die leichten, sandigen Wege. Das Mädchen saß aufrecht im Sattel und ließ sein Haar im Wind fliegen. Armand konnte sich kaum daran sattsehen, wie die stetige, leichte Brise mit den weichen Locken spielte.
»So in etwa«, antwortete er jetzt auf ihre Frage. »Aber streitlustiger als die Bürger in Köln oder Mainz – Südländer eben, da fällt schnell ein scharfes Wort gegen Kaiser und Fürst. Auch gegen den Papst, wenn den Herren eine Entscheidung nicht passt. Aber ob sie achttausend halb verhungerten Kindern die Tür weisen würden? Ganz sicher wohnt in den Palästen der Stadtväter nicht der Beelzebub, und die Vorstellung, man könnte uns alle in den Kerker werfen oder als Sklaven verkaufen, ist nicht haltbar.«
Vor allem aber gab es in Mailand eine Dependance der Templer. Die Mönche betrieben dort Bankgeschäfte, und Armand hätte seinen Bericht abliefern und seine Finanzen aufbessern können. Ob das in Piacenza möglich wäre, wusste er nicht.
»Dann schlagen wir uns eben anderswie durch!«, hoffte die unbekümmerte Gisela.
Sie war in diesen Tagen unbeschwert glücklich. Armand erholte sich sichtlich, sie ritt an seiner Seite über Blumenwiesen, und die Sonne schien. An eine feindliche Zukunft mochte sie da nicht denken.
»Erst mal verkaufen wir unsere Winterkleidung, und dann werde ich auf den Marktplätzen die Laute spielen! Warte ab, ich kann das. Ich habe oft an Frau Juttas Hof gesungen. Ein paar Städter werde ich zu Tränen rühren!«, rief Gisela.
Armand lachte. »Schon dein Anblick dürfte die Menschen verzaubern«, schmeichelte er.
Rupert schnaubte. »Das fehlte noch, dass du dich herzeigst wie ein Weib von der Straße!«, fuhr er sie an.
Gisela zuckte die Schultern. »Wie’s aussieht, gibt es ja reichlich Ritter und Knechte, die über mich wachen.«
Sie lächelte die beiden Männer gewinnend an. Armand und Rupert tauschten wenig freundliche Blicke.
Dimma betrachtete all das mit Sorge. Wenn sie nur schon in Piacenza wären, und wenn die Zelte schon verkauft wären, damit Rupert wieder reiten könnte! Im Moment nahm er Armand zusätzlich übel, dass er neben Gisela im Sattel saß wie ein Edelmann, während er selbst neben seinem Maultier herlief. Dabei hatten sowohl Armand als auch Gisela Kinder mit im Sattel, und wenn der Ritter nicht ganz auf sein Reittier verzichtete, so sicher auch deshalb, weil sein Rücken sieben Tage nach dem Sturz nach wie vor schmerzte. Beim Gehen stützte er sich auf einen Stock und ermüdete rasch.
Konstanze erklärte das für völlig normal und befahl ihm, sich auf sein Pferd zu setzen. Rupert war der Einzige, der dafür kein Verständnis aufbrachte. Und ob sich seine Laune so sehr heben würde, wenn er demnächst auf dem Maultier saß, während sein Rivale ein Pferd ritt? Dimma hatte Gisela schon vorgeschlagen, Floite in Como gegen ein Pferd einzutauschen, aber davon wollte das Mädchen nichts hören.
»Schäm dich, Dimma! Sie hat uns über den gefährlichen Pass begleitet, und nun willst du sie abschieben? Nein, Floite nehmen wir mit nach Jerusalem. Die schwimmt im Notfall noch durchs Mittelmeer, falls es sich nicht teilt.«
Como, wie alle lombardischen Städte, regierte sich selbst. Die Stadt am See, deren trutzige Mauer sie als äußerst wehrhaft auswies, hatte aus Feindschaft gegen Mailand stets auf der Seite des Heiligen Römischen Reiches gekämpft und hielt jetzt auch gute Kontakte zu Innozenz III. in Rom. Armand bezweifelte allerdings, dass dies irgendwelche Auswirkungen darauf haben würde, wie die Stadt das Kinderheer empfing. Eher hoffte er hier auf ähnliche Verhältnisse wie einige Wochen zuvor in Straßburg.
Auch in Como lagen zwei Patrizierfamilien im Streit miteinander, die Vittani und die Rusconi. Wie sich herausstellte, war die Feindschaft aber schon weit über die relativ harmlose Rivalität der Müllenheims und Zorns hinaus gediehen. Es kam zu regelrechten Straßenkämpfen, und obendrein unterstützte die eine Partei den Papst, während die andere eher die Position Mailands vertrat. Armand durchschaute diese Verhältnisse nur begrenzt, Gisela und Konstanze gar nicht.
Auf die Aufnahme Nikolaus’ und seiner Kreuzfahrer hatten die Streitereien jedenfalls nicht den geringsten Einfluss. Die Comer zeigten sich freundlich, aber eher unbestimmt: Sie öffneten der Schar zwar ihre Tore und hatten nichts dagegen, dass das Heer auf den Plätzen
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