Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
der Stadt und am Seeufer kampierte. Nikolaus durfte auch auf den Stufen von San Abbondio predigen – so nah am deutschen Teil des Reichsgebietes verstanden die Bürger noch fast alle deutsch. Er fand aber kaum neue Anhänger, und die Almosen flossen ebenfalls spärlich.
»Wir haben Dürre, die Ernte war schlecht«, beschied einer der Stadtväter das Kinderheer. »Ihr könnt gern auf unseren Märkten Vorräte erstehen, und wenn die Bürger euch verköstigen,so ist das sicher gottgefällig. Aber die Stadt kann ihre Getreidespeicher nicht für euch öffnen, das müsst ihr verstehen.«
Gisela und ihre Freunde besuchten den Markt auf der Piazza San Fidele und die Mädchen berauschten sich an dem vielfältigen Warenangebot. Hier gab es mehr und andere Früchte als nördlich der Alpen, viele bekannte Obst- und Gemüsesorten gerieten unter der südlichen Sonne größer und farbiger. Garküchen verkauften eine Reisspeise, die sowohl als süßer Brei mit Zimt und Zucker als auch mit einer Fleischsoße gereicht wurde. Dazu gab es würzigen Käse.
Konstanze hätte zu gern davon gekostet – aber leider reichte das Geld nicht einmal für eine einzige Portion. Gisela schaute enttäuscht und beunruhigt auf den kargen Erlös ihrer Verkäufe auf dem Markt. Armand und ihr Hof waren natürlich nicht die Einzigen, die ihre Wintersachen hier zu Geld machten. Entsprechend niedrig waren die Gebote der Händler.
»Damit kommen wir jedenfalls nicht weit!«, sagte das Mädchen unglücklich. »Wenn Armand nicht irgendwie Geld auftreibt, werde ich tatsächlich singen müssen. Kannst du nicht mitmachen, Konstanze? Ich denke, eure Klostergründerin hat komponiert, du solltest also singen können.«
Konstanze schüttelte bedauernd den Kopf. Tatsächlich war Musik das einzige Fach, in dem sie sich als Klosterschülerin nicht ausgezeichnet hatte. Konstanze hatte einfach kein gutes Gehör. Sie mochte die einfachen Weisen des Volkes ganz gern und liebte die Dichtungen des Minnesangs. Aber selbst hielt sie keinen Ton, und ihre Versuche, die Laute zu schlagen, hätte die Märkte eher geleert, als Menschen anzulocken. Zudem glaubte sie nicht, dass Gisela mit ihrem Gesang viel Geld verdienen würde. Marktbesucher bevorzugten rauere Vergnügungen als Liebeslieder. Letztlich würden nur wenige Münzen abfallen – ein Ertrag, für den es sich nicht lohnte, sowohl Ruperts als auch Dimmas Groll auf sich zu ziehen.
Konstanze dachte in größeren Dimensionen.
»Wie wird etwas eigentlich zur Reliquie?«, erkundigte sie sich, als sie am Abend, gemeinsam mit Armand und Gisela, die Messe in San Abbondio besuchte und vor einem Reliquienschrein kniete.
Gisela runzelte die Stirn. »Na ja, wenn irgendjemand Heiliger das Ding berührt … oder …«, erklärte sie vage.
Armand schmunzelte. Er verstand die Frage hinter der Frage.
»Es gehört ein Zertifikat dazu«, erläuterte er. »Irgendein Kirchenfürst oder Hoher Adeliger bestätigt die Echtheit des Artefaktes oder die … Identität des Verstorbenen.«
In Como wurden Körperteile diverser Heiliger aufbewahrt.
»Wie kann er denn das?«, fragte Gisela, die nun ernstlich über die Sache nachdachte. »Er war schließlich nicht dabei, als Jesus oder sonst jemand das Ding berührt hat. Und die Toten … na ja, da sind ja oft nur Knochen übrig.«
»Das Zertifikat bestätigt wohl auch eher, dass die Reliquie wirklich da gefunden wurde, wo man behauptet, und dass … na ja, es ist eben auch eine ganze Menge Glauben dabei«, meinte Armand augenzwinkernd.
Der Priester vor dem Altar sprach eben das Ite missa est, und der junge Ritter beeilte sich, die Sakristei aufzusuchen. Der Pfarrer von San Abbondio war seine letzte Hoffnung, nachdem sich verschiedene Fernhändler und Stadtväter geweigert hatten, ihm einen Wechsel auf den Namen der Templerkomturei in Genua zu Geld zu machen. Schließlich hatte Armand keinerlei Beweise dafür, im Namen des Großmeisters unterwegs zu sein – und die anderen Mitglieder des Kinderheeres hatten bislang auch nicht viel dazu beigetragen, das Vertrauen in die Kreuzfahrer zu fördern. Schon wieder gab es Einbrüche und Raubüberfälle. Nikolaus und die Mönche versuchten eben, zwei Mainzer Straßenjungen vor dem Galgen in Como zu bewahren.
Wenn das so weiterging, würde bald jeder als verdächtig gelten, der Nikolaus’ Schar angehörte. Als vertrauenswürdig galten die Kreuzfahrer schon jetzt nicht mehr.
Konstanze verabschiedete sich ebenfalls gleich nach der Messe von ihren
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