Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Freunden. Tief in Gedanken schlenderte sie über den Markt und erstand schließlich Tinte, eine Feder und etwas Pergament. Dann kopierte sie akribisch ein Liebesgedicht in arabischen Schriftzeichen und unterschrieb mit dem Namen Malik al-Kamil. Anschließend fügte sie in geschliffenem Latein ein paar Worte hinzu und packte das Schreiben zusammen mit einem Stück angekohlten Holzes vom letzten Lagerfeuer in Wachspapier. Laut Konstanzes »Zertifikat« verbürgten sich sowohl ein sarazenischer Prinz als auch der Patriarch von Jerusalem dafür, dass es sich hier um ein Holzscheit von einem Feuer handelte, das die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten warmgehalten hatte.
Der jüdische Pfandleiher, dem sie die Reliquie anbot, verdrehte zwar die Augen, zahlte ihr dann aber das Zehnfache dessen, was die Materialien gekostet hatten. Zweifellos hätte er noch mehr gegeben, hätte sich Konstanze aufs Feilschen verstanden.
Armand wollte sich ausschütten vor Lachen, als sie später mit großen Taschen voller Einkäufe und einem Topf Reisbrei am Feuer erschien. Befragt von Gisela und Dimma, gestand sie ihren Frevel sofort.
Dimma bekreuzigte sich wortlos und begann dann, das Essen an die Kinder zu verteilen. Gisela schaute zunächst entsetzt, biss aber nichtsdestotrotz herzhaft in Brot und Käse.
»Das ist eine Sünde!«, bemerkte sie, noch kauend, und zeigte dabei bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Konstanzes kleinem Freund Peter.
Konstanze zuckte die Schultern. »Aber wir verwenden das Geld gottgefällig«, verteidigte sie sich. »Der Herr kann nicht wollen, dass die Kinder hungern.«
»Und wie Mutter Ubaldina zu sagen pflegte …«, brachte Armand lachend hervor, »… alles, was die Menschen im Glauben stärkt, ist von Gott gesegnet!«
»Der Pfandleiher meinte, er würde auch mehr nehmen«, wagte Konstanze daraufhin anzumerken.
Am Minnehof der Herrin Gisela von Bärbach musste also auch in Como niemand hungern.
Kapitel 2
Von Como aus ging es weiter nach Piacenza, und trotz der schlechten Ernährungslage war die Stimmung im Heer sehr gut. Die Sonne schien heiß vom Himmel, und die Kreuzfahrer hatten all ihre warme Kleidung ablegen können. Diejenigen unter ihnen, die von vorneherein keine gehabt hatten, mussten endlich nicht mehr frieren. Stattdessen fühlten sich alle leicht und beschwingt – zumal sie ihrem ersten Ziel, Genua, nun ja auch rasch näher kamen.
»Bestimmt bekommen wir Almosen in Piacenza!«, hoffte Magdalena, die wieder mal ein Gastspiel bei den anderen gab.
Meist lief sie eifrig hinter Wolframs Pferd her, aber die Jungen um Nikolaus gaben ihr nur etwas zu essen, wenn sie selbst genug hatten. Und das war selten.
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, bemerkte Armand. »Piacenza wird die gleichen Schwierigkeiten haben wie Como. Schau dich doch nur mal um, alle Felder sind braun und von der Sonne verbrannt. Die Flüsse sind halb ausgetrocknet. Hier herrscht Dürre, Lenchen. Die Bauern jagen uns nicht fort, weil sie böse sind, sondern weil sie selbst nichts haben! Es ist sehr unklug von deinen Freunden, sie dazu auch noch zu bestehlen. Das spricht sich doch herum und macht uns auch in der Stadt nicht willkommener!«
»Aber Nikolaus … er muss bei Kräften bleiben. Er muss essen.«
Dimma schüttelte unwillig den Kopf und schaute mal wieder grimmig drein.
»Kleine, dein Nikolaus wirkt noch ganz gut genährt. Under braucht auch nicht zu viel, schließlich bewegt er sich ja kaum …«
Seit das Eselchen abgestürzt war, trugen Nikolaus’ Anhänger den Jungen in einer Sänfte. Roland versteigerte das Recht dazu jeden Morgen meistbietend an seine treuesten noch zahlungsfähigen Bewunderer.
Die anderen jungen und alten Kreuzfahrer begannen dagegen schon wieder zu leiden. Nicht nur unter dem allgegenwärtigen Hunger, sondern auch unter der Hitze und dem Wassermangel. Die Bewohner der Dörfer am Wege ließen sie oft nicht an ihre Brunnen – ihr schlechter Ruf als Diebe und Bettler eilte ihnen längst voraus. So tranken die Kinder Wasser aus den halb ausgetrockneten Flüssen und Bächen und wurden davon umgehend krank. Dazu fielen Mückenschwärme über die Wanderer her. Wieder starben Konstanzes Patienten an Durchfall und Fieber. Wieder waren Dutzende von Kindern zu geschwächt, um zu laufen, und blieben einfach am Wegrand liegen, wenn niemand ihnen half.
Gisela und ihre Freunde taten ihr Bestes, um das Leid zu lindern. Konstanze empfing die Kranken an ihrem Feuer, und Gisela stellte ihre
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