Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
genommen wissen wir nicht, was zu tun ist. Deine Aufgabe besteht sozusagen darin, das herauszufinden …«
Armand runzelte die Stirn. »Vielleicht … erzählt Ihr mir einfach die ganze Geschichte?«
Ubaldina nickte und spielte nachdenklich mit ihrem Schleier. »Es ist so, Armand, dass sich etwas anbahnt. Seine Heiligkeit, Papst Innozenz III., ruft auf zu einem weiteren Kreuzzug.«
Über Armands gut geschnittenes, leicht gebräuntes Gesicht zog ein Lachen. »Na, das ist ja nichts Neues. Fragt sich nur, ob er die eifrigen Kreuzfahrer dann auch wirklich nach Outremer schickt, oder ob wieder mal irgendwelche Ketzer in Frankreich oder sonst wo ausgemacht werden!«
In den letzten Jahren hatte sich der Bekehrungseifer des Papstes vor allem auf die Katharer im Süden Frankreichs konzentriert. Wobei die Mehrzahl der Albigenser nicht zurück in den Schoß der Mutter Kirche wanderten, sondern auf den Scheiterhaufen, während sich das Kreuzfahrerheer ihre weltlichen Güter aneignete.
Armands Vater und die anderen Herren von Outremer konnten sich über die Aufrufe des Papstes zum Kreuzzug auch längst nicht mehr uneingeschränkt freuen, sondern fürchteten eher den Mob, den die Kirche ihnen schickte. Die Begeisterung der Adligen und ehrbaren Bürger für die Befreiung des Heiligen Landes war seit Jahren abgeflaut. Wer in diesen Tagen noch das Kreuz nahm, war eher auf der Flucht oder zielte darauf, Beute zu machen. Das letzte Aufgebot der Kirche im Kampf um die heiligen Stätten bestand aus Raubrittern und Gaunern. Den wohlgerüsteten Heeren der Sarazenen hatten sie nichts entgegenzusetzen, weshalb sie den Kampf gegen die Ketzer im eigenen Land auch vorzogen.
»Das allein würde uns nicht beunruhigen«, sagte Ubaldina. »Aber im Abendland kommt irgendetwas in Bewegung. Wir wissen nichts Genaues, es ist mehr eine Art Ahnung … Sie wird von vielen unserer Gesandten geteilt, insbesondere in den Komtureien, die direkt mit Rom zu tun haben. Es scheint, als gäbe es einen Plan – der Papst wartet auf etwas. Er wirkt angespannt und doch selbstzufrieden, sagen die Tempelherren. Nicht so ungeduldig und verärgert wie sonst, mehr wie … wie eine Katze, die um den Milchtopf schleicht.« Ubaldina lächelte, und der Schalk in ihrer Stimme ließ ihr Gesicht weicher wirken. »Das sind nicht meine Worte, wohlgemerkt, sondern die Monseigneur de Chartres’!«, fügte sie dann schamhaft hinzu.
Armand konnte sich des Lachens kaum erwehren. Ubaldina hätte es nie zugegeben, aber ihrem Schüler war längst klar, dass sie dem Vertreter Gottes auf Erden kaum mehrRespekt entgegenbrachte als ihrer verblichenen Ordensschwester aus dem fernen Bingen. Der Großkomtur teilte diese Meinung, zumindest, was die Einstellung des Heiligen Vaters zum Problem im Heiligen Land anging. Hier hatte der Papst seiner Ansicht nach schlichtweg keine Ahnung.
Auch andere Entscheidungen des Kirchenfürsten blieben den Templern fremd. Warum zum Beispiel verfolgte der Papst die Anhänger des Petrus Valdes mit aller Härte, während er den Orden des Franz von Assisi kurz zuvor anerkannt hatte? Nach Ansicht Guillaume de Chartres’ waren die Grundsätze der beiden gleich. Der eine wie der andere predigte die Nachfolge Christi durch ein Leben in Armut und machte sich die Verkündigung des Evangeliums zur einzigen Aufgabe.
Armand rieb sich die Nase, was er immer tat, wenn er angestrengt nachdachte. »Aber ich verstehe noch nicht, Mutter Ubaldina. Was kann ich bei all dem tun? Soll ich nach Rom reiten?«
Ubaldina schüttelte den Kopf. »Nicht nach Rom, Sohn, es wird nicht in Rom stattfinden. Da sind sich eigentlich alle einig, man vermutet eher einen Ausbruch in deutschen oder französischen Landen … wir dachten, dass wir dich zunächst nach Köln schicken.«
»Aber warum nach Köln?«, fragte Armand. »Wenn man doch gar nichts weiß …«
Die Nonne zuckte die Schultern. »Es ist ein Versuch, Armand. Und für Köln haben wir einen guten Vorwand. Der Erzbischof von Köln hat bei einem der hiesigen Händler eine Reliquie erstanden – zu einem ungeheuer hohen Preis. Nun suchen sie eine sichere Möglichkeit, diese Kostbarkeit übers Meer zu bringen.«
Armand verdrehte die Augen. »Erneut ein Splitter vom Kreuz des Heilands?«, erkundigte er sich.
Wie alle, die im Heiligen Land aufgewachsen und nicht blind und taub waren, wusste er, dass einheimische Händler –Christen wie Sarazenen – lebhaften Handel mit überteuertem Altholz trieben. Der Großkomtur pflegte zu
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