Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
sanft.
Konstanze sehnte sich danach, in seine Arme zu sinken, aber auch sie wahrte die Form. Eigentlich wollte sie sich nur verbeugen, aber dann hielt sie ihm doch die Hand entgegen. Malik beugte sich darüber und küsste sie voller Ehrfurcht.
»Ich werde dich in deinen Räumen besuchen«, flüsterte er, als er sich aufrichtete.
Konstanze lächelte hinter ihrem Schleier.
»Du hast ein hübsches Pferd!«, rief Armand Malik zu, während Konstanze darauf wartete, dass ihre Sänfte ausgeladen wurde. Gisela überwachte derweil selbst, wie Karl Smeralda an Land führte.
»Freut mich, dass er dir gefällt«, bemerkte der Prinz und reichte ihm die Zügel. »Er heißt Cantor, und er gehört dir, solange wir hier sind. Ich habe ihn für dich ausgesucht.« Er grinste und streichelte über Cantors geschecktes Fell. »Er ist auf jeden Fall unverwechselbar!«
Armand lächelte grimmig. Er hatte sich immer noch nicht ganz verziehen, dass es Giselas bedurft hatte, den vertauschten Braunen zu erkennen. »Ein Streithengst, Malik?«
Der Sarazene nickte. »Ja. Es wird Ritterspiele geben, und du willst doch sicher teilnehmen. Wobei nicht die Gefahr besteht, dass wir wieder zusammenstoßen. Ich habe mich bereit erklärt, dem Turnier an der Seite des Königs vorzustehen. Damit es nicht womöglich zum nächsten Kreuzzug kommt, weil sich ein christlicher Ritter von einem Heiden beleidigt fühlt.«
»Der künftige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches scheint ein besonnener Mann zu sein.« Armand war sichtlich beeindruckt.
Malik nickte. »Ein hervorragender Mann!«, bestätigte er. »Noch sehr jung, aber außerordentlich klug. Er spricht mehrere Sprachen, versteht sich auf Strategie und Philosophie, wurde vielseitig erzogen – gut, dass der Papst ihn jetzt unterstützt, das muss man einmal anerkennen.«
»Wenngleich Seine Heiligkeit nichts anderes im Sinn haben dürfte, als ihn auf einen neuen Kreuzzug zu schicken«, brummte Armand. »Aber ihr scheint euch ja gut zu verstehen, vielleicht übt ihr euch also beide schon mal im Schachspiel.«
Der Legende nach war der Kampf um Jerusalem einst in einem Schachspiel zwischen Richard Löwenherz und Maliks Onkel Saladin entschieden worden.
Während die Freunde plauderten, führte Malik ihren kleinen Zug durch die Stadt, deren Architektur sich deutlich von allen anderen italienischen Städten abhob, die sie bisher gesehen hatten.
»Ich fühle mich hier ein bisschen wie zu Hause«, erklärte Malik und wies auf die arabisch anmutenden Häuser und Gärten. »Selbst eure Kirchen sehen aus wie Moscheen.«
Tatsächlich prangten rot gestrichene Kuppeln auf den meisten älteren Kirchen, es gab zierlich geschwungene Arkaden und Spitzbögen, anmutige Säulen, die sich zu Bogengängen formierten, Springbrunnen und Mosaiken.
Der Königspalast wirkte nach außen streng, aber schon der Eingang führte in einen traumhaft verspielten Innenhof.
»Die Normannen haben den Palast gebaut, aber die Baumeister müssen arabische Sklaven gewesen sein«, lächelte Malik. »Hier sieht es aus wie in meinem eigenen Land.«
Vor allem aber herrschte in den Innenhöfen des Palastes ein reges Treiben. Besucher trafen ein und wurden von Truchsessen begrüßt, andere Bedienstete wiesen den Neuankömmlingen Wohnungen zu.
Um Malik al-Kamil strichen gleich drei dienstbare Geister, und Konstanze und Gisela verfügten im Nu über prachtvolle Räume mit Ausblick in die Gärten.
Dimma fand ihre Herrin endlich standesgemäß untergebracht, Marlein und Gertrud wussten vor Aufregung nicht wohin.
»Und schau mal, was hier ist!«, rief Marlein hingerissenund zeigte auf eine geöffnete Truhe, die alle möglichen Schätze zu enthalten schien.
»Dies schickt Euch der Prinz von Alexandria«, erklärte der Diener, der die Mädchen zu ihren Gemächern geführt hatte. »Ihr möchtet Euch daran erfreuen und ihn freundlich im Gedächtnis behalten, bis er wieder bei Euch sein kann.«
Konstanze dankte dem Mann, während ihre kleinen Kammerfrauen bereits neugierig auspackten. Die Truhe enthielt Schmuck und edelste Seidenstoffe. Dazu einen kleinen, golddurchwirkten Gebetsteppich und als Besonderheit einen Spiegel.
»Das ist Zauberei!«, flüsterte Gertrud andächtig, während sie in den kleinen Handspiegel blickte. »Er zeigt mein Bild – so klar, als stecke eine zweite Gertrud darin!«
Konstanze lachte. »Nein, es gibt nur eine Gertrud. Aber dies ist wahrhaft ein Wunder! Ich las, dass es in der Antike so etwas gegeben haben soll, aber
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