Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
ich konnte es mir nicht vorstellen.«
Tatsächlich blickten die Mädchen hier erstmalig in einen Spiegel aus Glas. Er reflektierte ihr Bild deutlich klarer als die Kupfer- oder Silberspiegel, die auch schon Kostbarkeiten darstellten. Marlein und Gertrud hatten sich bislang überhaupt nur im Wasser der Bergseen gespiegelt, die sie auf der Reise nun wirklich reichlich passiert hatten.
Aber so schön es war, Maliks Geschenke zu bewundern – Konstanze bebte doch vor Erregung, wenn sie an den Abend dachte. Die Ritter würden mit dem König speisen, aber danach würde Malik zu ihr kommen …
Konstanze breitete den kleinen Gebetsteppich vor dem Fenster nach Osten aus. Sie hatte den Wink verstanden, und sie war bereit.
»Wo bleibst du denn, Konstanze?«
Gisela stürmte aufgeregt und wunderhübsch hergerichtet von Dimma in Konstanzes Räume. Die alte Kammerfrauschien allerdings die Ansicht Armands zu teilen: Wer sich nicht im Kreise der Ritter Eide geschworen hatte, der brauchte sich auch nicht zu kleiden wie eine verheiratete Frau.
Gisela trug ihr Haar also wieder offen, ein prachtvoller, blumengeschmückter Reif hielt die flirrenden Locken zurück. Der herbstlichen Kühle wurde ein apfelgrünes Samtkleid mit weiten, langen Ärmeln in dunklerem Grün gerecht.
»Bist du noch nicht angezogen? Meine Güte, Konstanze, dies ist ein Minnehof! Wir Frauen sind zum Bankett gebeten, berühmte Sänger werden auftreten, und die Speisen sind zweifellos erlesen. Die Königin Konstanze selbst hat uns eingeladen. Wir werden nah an ihrem Tisch sitzen – selbstverständlich bei den Mädchen, wir müssen das bald in Angriff nehmen mit dieser zweiten Hochzeit.«
Konstanze saß nach einem Besuch in den Bädern entspannt am Fenster ihres Gemachs. Gertrud bürstete ihr Haar, und sie träumte von ihrem Prinzen.
Jetzt schüttelte sie unsicher den Kopf. »Ich weiß nicht, wie … mein versprochener Gatte das aufnehmen würde. Im Morgenland nehmen die Frauen nicht an solchen Festlichkeiten teil, und …«
»Aber er ist noch nicht dein Gatte und du bist noch nicht, im Morgenland!«, erklärte Gisela resolut. »Du wirst bei den unverheirateten Mädchen der Frau Konstanze sitzen, und die wacht schon über deine Tugend, nur keine Angst! Über meine wird sie viel zu streng wachen. Ich bin mitten in den Frauengemächern untergebracht, da kommt Armand heute Nacht nie hinein. Du hast da Glück!«
Konstanze schaute verwirrt auf. Es stimmte, Giselas Räume lagen weit von den ihren entfernt, ihre dagegen grenzten an die Privaträume des Königs – die in diesen Tagen unter anderen zweifellos auch der Prinz von Alexandria bewohnte. Über Konstanzes Gesicht zog flammende Röte. Das also war Diskretion sarazenischer Art!
»Ich komme mit«, sagte sie entschlossen. »Aber ich werde mich verschleiern.«
Gisela lächelte. »Wenn du es für nötig hältst! Aber beeil dich. Oder warte, ich schicke dir Dimma. Bis Gertrud herausgefunden hat, wie man ein modisches Kleid auch nur öffnet, ist das Bankett vorbei!«
Kapitel 3
Der Ritter »Wolfram von Guntheim« war nicht an die Tafel des Königs geladen. Wenngleich er, wie auch die anderen Fahrenden Ritter, nicht klagen konnte. Auf dem Turnierplatz vor der Stadt, wo die Ritter ihre Zelte aufbauten, wurden kaum weniger prächtige Speisen aufgetragen als im Saal des Palastes. Hunderte von Hühnern und Schwänen brieten an Spießen, und an gewaltigen offenen Feuern röstete man ganze Ochsen. Suppen wurden in riesigen Töpfen gekocht, Köche rührten in Saucen, und Mundschenke rollten Fässer mit dem edelsten Wein zu den Garküchen.
Rupert gesellte sich heißhungrig zu den schmausenden Rittern, nachdem er sein schlichtes Zelt am Rande des Platzes errichtet hatte. Es war nicht mit den teilweise prunkvollen Aufbauten der anderen Ritter vergleichbar, die in farbiger Seide kleine Burgen mit Türmen und Wimpeln nachbildeten. Obwohl dekorativer als die Unterstände an Giselas Hof, war es doch eine bescheidene Bleibe. Rupert hatte es von dem ersten Gewinn erstanden, den er sich als Ritter verdient hatte. Viel war das nicht gewesen.
»Wolfram« hatte sich zunächst zurückgehalten und sich nur im Buhurt, nicht im einträglicheren Tjost, mit anderen Rittern gemessen. Bei diesem Wettkampf traten zwei so genannte Heere gegeneinander an, die sich vorher formierten. Die Schlacht begann im Allgemeinen damit, dass man regelgerecht gegeneinander anritt, aber sie konnte anschließend in eine ziemliche Rauferei ausarten.
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