Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
den Herrn Jesus Christus stellte. Komisch, dass die Engel die gleichen Schreibfehler machten wie der Hofkaplan – dem der Minnehof von jeher ein Dorn im Auge war!«
»Dann die Sache mit dem Meer, das sich teilen sollte!« Armand konnte über Giselas spöttischen Einwurf nicht lachen; er war zu wütend und aufgebracht. »Alles Missverständnisse. Ich verstehe. Seltsam nur, dass Eure Mönche immer um die Knaben herum waren. Die hätten es doch richtigstellen müssen, oder?«
Franziskus wand sich unter den Blicken seiner Ankläger. Aber dann huschte ein Lächeln über seine Züge.
»Vielleicht … vielleicht waren es ja gar nicht meine Sendboten, die diese Jungen ansprachen! Ihr sagt selbst, sie wandten sich an viele Kinder, aber keines war bereit, den Stab des Hirten aufzunehmen. Vielleicht griff der Himmel dann ja ein und fand die Knaben! Doch, so muss es gewesen sein! Wir können nur berufen, der Herr wählt aus! Und unergründlich sind seine Wege.« Franziskus faltete die Hände. »Lasst uns also für alle beten … für die Seelen dieser Kinder. Wie nanntet Ihr sie? Dominik und Bertran?«
»Nikolaus und Stephan!«, schnaubte Armand.
Konstanze trat vor. »Magdalena!«, sagte sie. »Und wagt es nicht zu sagen, Mönch, dass ihr Glaube schwächer war als Eurer!«
»Marie!«, fügte Dimma hinzu. »Sie war acht Jahre alt!«
»Rupert«, flüsterte Gisela.
»Trude!«, nannte Marlein den Namen ihrer am Gotthard erfrorenen Base.
»Kaspar!« Eines von Karls Kindern, gestorben am Fieber in Rom.
»Berthold!« Gertrud hob die Stimme für ihren in den Bergen verunglückten Bruder.
Zuletzt standen auch die schüchternsten der jungen Kreuzfahrer auf und nannten die Namen derer, die sie verloren hatten. Einige weinten dabei. Die Augen anderer, wie Karls, blitzten vor Zorn.
»Sie sind alle bei Gott!«, versuchte Franziskus zu trösten, aber er schien in einer anderen Welt. »Ihr könnt sicher sein, sie sitzen zu Füßen Jesu und freuen sich an den Schönheiten des Himmels. Wir können nur noch für sie beten – und versuchen, ihr Werk fortzuführen!« Der Mönch hob die Stimme. »Ihr, ihr alle, die ihr den Eid der Kreuzfahrer geschworen habt: Kommt mit mir! Folgt mir, betet mit mir! Erlebt mit mir, wie die Heiden lernen, Christus anzubeten! Singend werden wir ihnen entgegengehen und …«
Konstanze, Gisela und Armand sahen einander an. Karls Hände waren zu Fäusten geballt.
Malik schüttelte jedoch den Kopf. »Wenn der Kapitän nichts dagegen hat, legen wir irgendwo auf Kreta an und setzen den Mann an Land«, sagte er ruhig. »Bevor hier jemand etwas Unüberlegtes tut.«
Franziskus unterbrach seine Predigt. »Was? Was, Herr? Ihr nehmt mich nicht mit ins Heilige Land? Ihr gestattet mir nicht, Euren Vater zu sprechen?« Aus den Zügen des Mönchs sprach tiefe Enttäuschung.
»Wenn Ihr zum Hof des Sultans vordringt, wird mein Vater Euch sicher empfangen«, antwortete Malik. »Aber mit diesem Schiff kommt Ihr nicht nach Akkon – wenn ich es verhindern kann. Und wenn ich es nicht verhindern kann, so werdet Ihr Eure Bekehrungskünste an einem ganzen Heer von Sarazenen erproben können, das ich zwischen Akkon und Alexandria auffahren lasse. Zweihundertfünfzig Meilen durch ein Meer von Ungläubigen. Mal sehen, ob es sich für Euch teilt!«
»Ich rede mit dem Kapitän«, sagte Armand. »Und ich hoffe, dass er sich nicht querstellt. Da ist etwas in Karls Augen, das mir nicht gefällt«, fügte er leiser in Maliks Sprache hinzu. »Der Junge sollte nicht zuletzt zum Mörder werden.«Erstaunlicherweise hatte der Kapitän keinerlei Einwände – obwohl man ihn als Templermönch durchaus auf Franziskus’ Seite hätte wähnen können, und obwohl er mit dem Anlegen auf Kreta weitere Zeit verlor.
Gisela stand mit Konstanze an der Reling und schaute zum Hafen von Chania hinüber, als der alte Templer sich näherte, um ein wenig mit ihnen zu plaudern. Armand und Malik waren unter Deck und bewachten den Mönch – und Karl. Und, wie Armand scherzhaft behauptete, Dimma. Die alte Kammerfrau wirkte fast noch aufgebrachter als die Jugendlichen.
»Ach, wisst Ihr … ich wollt’s nicht rausposaunen«, erklärte der Kapitän Gisela, als sie es wagte zu fragen. »Aber der Mann ist mir kein Unbekannter. Und man spricht ja zu Recht von der mangelnden Ehrfurcht vor dem Propheten aus dem eigenen Lande.«
»Franziskus?«, fragte Gisela überrascht. »Aber …«
»Ich komme aus Perugia«, verriet der Seemann. »Ja, wundert Euch nicht,
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