Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Vaters am Vortag begegnet waren. Er zeichnete sich auch in der Kampfkunst wenig aus. Eben attackierte er einen hölzernen Ritter, der von einem Kampfübungsgerät im Kreis gedreht wurde und unter dessen Schwertarm man sich nach dem Angriff ducken musste. Der Knappe schaffte dies allerdings nicht. Beim ersten Versuch erwischte ihn der Holzritter am Rücken, und der Junge entkam nur halb auf dem Pferd hängend. Beim zweiten Versuch bekam er die Wucht der rotierenden Maschine voll zu spüren und wurde aus dem Sattel katapultiert. Er hielt sein Visier tunlichst geschlossen, aber Gisela war sich sicher, dass er errötete.
Rupert, der in der Nähe einige Pferde trainierte, machte sich einen Spaß daraus, den Hengst des Jungen wieder einzufangen, bevor er mit den anderen Tieren Streit anfing. Dazu ritt er ohne Sattel rasch unter der wirbelnden Maschine hinweg, wandte sich dann um und beschoss den Holzritter noch rasch mit einem Stein aus seiner Schleuder, bevor er ihm die lange Nase zeigte. Die Zügel musste er dazu natürlich loslassen, aber Rupert dirigierte sein Pferd allein mit den Schenkeln. Während der Knappe seinen Rappen ohne Dank, aber mit wütendem Ausdruck in den Augen in Empfang nahm, klatschte Gisela Rupert Beifall. Er verbeugte sich in ihre Richtung.
»Ihr solltet den Knecht nicht so ermutigen!«, rügte Dimma. »Er schaut schon jetzt wie ein verliebtes Kalb. Und wer weiß, ob der Kerl seinen Platz kennt! Was er eben getan hat, war zumindest unverschämt!«
»Aber mutig!«, lachte Gisela. »Während dieser Knappe … was für ein Dummkopf! Wo hat Vater den nur her? Die Herler Burg ist ja nicht gerade die erste Wahl für die Ausbildung junger Ritter, aber jeden müssen wir doch auch nicht nehmen!«
Auf Dimmas Bemerkungen bezüglich Rupert ging Gisela nicht ein. Es konnte schließlich nicht sein, dass der Knecht in sie verliebt war – höchstens lag eine der Schwärmereien vor, an die sie von den Knappen in Meißen gewöhnt war. Da hatte sie das als äußerst schmeichelhaft empfunden. Auch Ruperts Anbetung schien ihr nicht bedrohlich. Im Gegenteil. Als Gisela Smeralda zurück in ihren Stall brachte, machte sie dem Jugendfreund ein Kompliment für seine Reitkunst. Rupert wurde sofort rot.
»Ach, das war doch nichts«, meinte Rupert verlegen und schnäuzte sich in einen Zipfel seines Kittels.
Gisela lachte. »Na, den seltsamen Knappen hast du jedenfalls beeindruckt! Weißt du, wo der herkommt und warum mein Vater ihn aufgenommen hat?«
Rupert schnaubte. »Der? Der Herr Wolfram? Das ist doch der Sohn vom Guntheimer. Euer Vater kann ihn nicht wegschicken, und wenn er noch so oft vom Pferd fällt. Irgendwann werden sie ihn auch zum Ritter schlagen … aber die Ritterschaft zögert das hinaus, solange es nur eben möglich ist.«
Giselas Lächeln erstarb. Sie war wie vor den Kopf gestoßen. Der Sohn des Guntheimers? Sollte sie diesen hoffnungslosen Fall ehelichen? Nein, das konnte nicht sein! Es musste noch irgendwo einen älteren Sohn geben – und ihr Gatte sollte ja auch Odwin, nicht Wolfram heißen. Komisch nur, dass sie sich an keinen anderen Jungen erinnerte.
O Gott, hoffentlich ist er nicht viel jünger als ich!, dachte sie. Der Gedanke, mit einem Kind vermählt zu werden, ließ sie schaudern, aber dann sagte sie sich, dass dies unwahrscheinlich war. Eine Verlobung hätte genügt, um die Ansprüche festzulegen, und man hätte Gisela noch ein oder zwei Jahre bei Frau Jutta lassen können. Ihr künftiger Gatte musste, er musste einfach ein erwachsener, heiratsfähiger Mann sein! Ein Ritter! Gewöhnlich wurden auch Knappen noch nicht vermählt.
Aufgewühlt verabschiedete sich Gisela von Rupert, überquerte den Burghof und lief die Stiegen hinauf zu den Kemenaten. Sie überlegte hektisch, was sie tun sollte – und lachte über sich selbst, als es ihr einfiel. Sie konnte ihren Vater einfach fragen! An sich hätte der ihr längst Näheres über ihren Verlobten mitteilen müssen, aber wahrscheinlich glaubte er, sie wisse über die Familienverhältnisse derer von Guntheim genauer Bescheid.
Gisela eilte in die Halle ihres Vaters statt in die Frauengemächer. Friedrich von Bärbach tafelte gerade mit seinen Rittern. Seine Tochter hoffte, dass er ihr Auftauchen nicht übel nahm. Es war schon spät, sie sollte eigentlich nicht mehr in der Burganlage herumlaufen.
Allerdings hatte der Bärbacher dem Wein wohl schon rechtgut zugesprochen und war bester Stimmung. Giselas Erscheinen und ihren schüchternen Knicks
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