Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
langem vorgebrachte Scherz. Er sah Gisela an. »Was ist, Gisela? Was guckst du wie ein erschrockenes Kalb? Hast du Angst, du müsstest Wasser schleppen? Das machen schon die Knechte. Du wirst deinem Zukünftigen nur etwas zur Hand gehen. Aber du lässt deine Hände schön bei dir, Guntheimer!«, mahnte er zum Schluss mit erhobenem Zeigefinger, wieder an seinen Gast gewandt. »Und alles andere auch. Bis zur Hochzeitsnacht …«
Die Ritter lachten dröhnend.
Gisela machte sich wie in Trance auf den Weg ins Badehaus.
Erst viel später, als sie endlich wieder in ihrer Kammer weilte, schluchzte Gisela erneut in Dimmas Armen.
»Es war ekelhaft, Dimma, es war einfach nur ekelhaft … und so … so entwürdigend. Ich musste ein leichtes Gewand anziehen, wie die Badewärterinnen – und darunter sieht man doch alles, Dimma … Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Erst recht, als ich dann den Ritter entkleiden musste. Er ist … er ist … Herrgott, wie eine fette Kröte … er …«
»Er ist nackt vor Euch getreten, Kind?«, fragte Dimma empört.
Auch dies war früher nicht unüblich gewesen, aber Frau Jutta hatte damit auf ihrem Hof aufgeräumt. Männer und Frauen zeigten sich dort nur ihren Ehegatten nackt – von Badewärterinnen vielleicht abgesehen. Aber wenn einem Ritter danach der Sinn stand, musste er sich schon in ein öffentliches Badehaus in der Stadt begeben.
Gisela lachte bitter. »Wenn du meinst, er hätte mir den Anblick seines ›Schwertes‹ gewährt … das blieb mir erspart. Schließlich hängt sein Bauch darüber. Der ist im Übrigen behaart – stärker als sein Haupt. Oh, Dimma, ich kann ihn nicht heiraten! Mir wird übel, wenn ich daran denke, dass er mich umarmt. Es war schlimm genug, ihm den Rücken einzuseifen und seine Schultern zu massieren. Ich fühle mich schmutzig, Dimma. Wäre es wohl möglich, dass du mir selbst noch ein Bad bereiten lässt?«
Die alte Kammerfrau seufzte und rief ein paar Mägde, den Zuber hereinzuholen und zu füllen. Auf der Herler Burg gab es kein Badehaus für Frauen. Dennoch erfüllte sie den Wunsch des Mädchens gern.
Dimma wusste nur nicht, wie weit ihm das helfen sollte. Die Hochzeit war in vier Wochen angesetzt, Gisela würdenicht jedes Mal in einen Waschzuber tauchen können, wenn ihr Gatte sie berührt hatte.
»Gibt es denn keinen Ausweg, Dimma?«, fragte Gisela schließlich, als die Kammerfrau sie auf ihrem Lager zudeckte.
Sie hatte zuvor noch das Bankett mit den Rittern überstehen und dabei neben dem Guntheimer sitzen und den Teller mit ihm teilen müssen, bevor dieser schreckliche Tag endlich ein Ende hatte. Gisela hatte kaum einen Bissen heruntergekriegt, obwohl der Guntheimer Anstalten machte, sie zu füttern wie ein Vögelchen. Das einzig Tröstliche waren die Blicke der Troubadoure gewesen, die beim und nach dem Essen aufspielten.
Sie mochten die Verzweiflung in den Augen der jungen Frau gesehen haben, und vielleicht entstand noch in dieser Nacht ein Lied, das die kindliche Braut neben dem alten Ritter beweinte.
»Du bist schon so lange am Minnehof, Dimma! Denk nach! Es muss Möglichkeiten geben, da ehrenhaft herauszukommen!« Gisela nippte an dem heißen Würzwein, den die Kammerfrau ihr kredenzt hatte, um sie wenigstens schlafen zu lassen.
Dimma überlegte. Natürlich gab es hier und da unstandesgemäße Liebeshändel am Minnehof – Mädchen, die sich dazu hinreißen ließen, sich Fahrenden Rittern hinzugeben. Mädchen, die plötzlich gesegneten Leibes waren, und die man dann nicht mehr verheiraten konnte, ohne ihr Geheimnis zu lüften …
»Ehrenhaft ist es schwierig«, murmelte Dimma.
Gisela machte eine abwehrende Handbewegung. »Dann eben unehrenhaft, Dimma! Ich kann den Guntheimer nicht heiraten. Nie und nimmer. Eher laufe ich fort!«
»Wenn überhaupt, so müsstet Ihr Euch entführen lassen!« Die Kammerfrau wirkte unwillig, aber sie sprach weiter. »Allein fortlaufen könnt Ihr nicht. Wo wolltet Ihr denn hin? Sagtjetzt nicht, nach Meißen, Frau Jutta könnte Euch nicht aufnehmen. Und allein in der Stadt Euren Lebensunterhalt verdienen?«
»Bürgerinnen schaffen das!«, behauptete Gisela.
Dimma schüttelte den Kopf. »Wenn sie Zunftmitglieder sind. Aber dazu muss sie schon ihr Vater oder Vormund als Kinder in die Lehre geben. Das geschieht selten – meist lernen sie ihr Handwerk in der Familie, wenn die Mutter vielleicht schon als Hebamme tätig ist, oder der Vater der Tochter einen kleinen Laden hinterlässt. Oder sie
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