Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
nach vorn. Armand lief es kalt den Rücken herunter. Wussten diese Menschen, worauf sie sich einließen? Von diesem Eid konnte niemand entbunden werden. Man war ihm verpflichtet, bis Jerusalem befreit war oder bis zum Tod.
Zweifellos würde es Stunden dauern, bis Nikolaus jeden der Schwurwilligen geküsst und umarmt hatte. Armand brauchte sich das nicht weiter anzusehen. Er ging zurück in seine Herberge und verfasste einen ersten Bericht an Guillaume de Chartres. Ausführlich berichtete er von Nikolaus’ Vorgeschichte, von seinen Visionen und den eigenen Zweifeln.
Natürlich kann es ein Zufall sein, dass dieser Junge bereits über Schauspielerfahrung verfügt, schrieb er, und vielleicht hat Gott ihn in seiner Weisheit auch eben deshalb zum Sprecher erwählt. Aber es erscheint mir doch seltsam. Zumindest dürfte es lohnend sein, die Sache weiterzuverfolgen. Wenn es also Euch und dem Orden recht ist, so werde ich mich dem »Heer« dieser Kinder anschließen und versuchen, mehr darüber herauszufinden.
Armand ließ den Brief zur Weiterleitung in die örtliche Komtur der Templer bringen. Dann rüstete er sich für den Kreuzzug.
Kapitel 8
»Wollt Ihr mich nicht begleiten, Herr Wolfram?«, fragte Gisela mit sanfter Stimme und schüchternem Augenaufschlag. »Es wird schon dunkel, und da durchquere ich den Burghof ungern allein. Ich fürchte mich vor den zotigen Sprüchen der Männer.«
Rupert, dem sie eben ihr Pferd übergeben hatte, wurde rot vor Wut. »Wer wagt es, Euch mit zotigen Sprüchen zu kommen, Fräulein Gisela?«, fragte er grollend. »Sagt es mir, und ich werde denjenigen zerreißen – und sollte es zehnmal ein Ritter sein!«
Gisela warf ihm einen tadelnden Blick zu. Was fiel dem Jungen ein? Wenn das so weiterging, würde er ihren schönen Plan mit Wolfram zunichtemachen. Zumal der Knappe ohnehin nur langsam auf ihre Bemühungen reagierte. Wolfram war bereits sechzehn, aber er wirkte noch sehr kindlich – oder furchtsam. Auch jetzt schwankte er zwischen Entsetzen und Bewunderung über die offenen Worte des Knechtes und war weit davon entfernt, Gisela seinerseits Schutz anzubieten.
»Es genügt sicher, wenn man mich nicht allein über den Hof gehen sieht«, begütigte Gisela. Tatsächlich bestand ohnehin nicht die geringste Gefahr. Auf der Burg ihres Vaters würde ihr niemand zu nahe treten. »Kommt Ihr, Herr Wolfram?«
Der Knappe nickte. »Ich muss nur noch mein Pferd abwarten.«
Gisela sah angespannt zu, wie der schwarze Streithengst ihn fast überrannte, als er ihn in den Stall führte. Das Pferdstrebte zur Futterkrippe und nahm den Knaben, der an seinem Halfter mehr hing, als dass er es zum Führen nutzte, kaum wahr. Als der Junge das Tier absatteln wollte, biss es sogar nach ihm. Beim Verlassen der Box hielt Wolfram den Sattel vor sich wie einen Schild, um sich vor Huftritten zu schützen.
»Vielleicht kann Rupert den Hengst rasch abreiben«, kam ihm Gisela zu Hilfe und blickte Rupert dabei beschwörend an.
Der Stallbursche grummelte, kam dem Auftrag dann aber nach.
Gisela versuchte sich derweil in munterer Plauderei mit dem erleichterten Knappen. Sie spürte Ruperts Blicke im Rücken, als sie hinausgingen. Kurz kam ihr durch den Sinn, dass es sehr viel einfacher wäre, sich von dem jungen Knecht entführen zu lassen. Dimma behauptete, er sei in sie verliebt, zumindest bewunderte er sie. Wenn sie ihm nur ein bisschen entgegenkäme …
Aber das würde ihr Dilemma nicht aufheben. Sie konnte nicht als Weib eines Stallknechts auf der Burg ihres Vaters leben – wahrscheinlich war es Rupert nicht mal erlaubt, ohne Zustimmung des Burgherrn zu heiraten. Gab sie sich ihm hin, so war sie eine Hure, nicht mehr. Es half also nichts, Gisela brauchte Wolfram. Wenn der Junge doch nur ein kleines bisschen ritterlicher, minniglicher und insgesamt reifer gewesen wäre! Aber Wolfram machte oft den Eindruck eines unzufriedenen Kindes im Körper eines fast erwachsenen Mannes.
Immerhin lief er jetzt brav neben Gisela her und machte Konversation. Und langsam erkannte sie auch Begierde in seinem Blick. Fehlte nur noch die Leidenschaft – und der Mut, die Entführung zu wagen. Bislang sah Gisela da schwarz, und dabei rückte ihre Hochzeit mit Odwin bedrohlich näher. Wenn es nicht anders ging, musste sie die Sache selbst ansprechen – aber daran mochte sie gar nicht denken.
»Mögt Ihr morgen mit mir ausreiten, Herr Wolfram?«, fragte Gisela mit süßer Stimme, als der Knappe sie schließlich vor ihrer
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