Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Kemenate verabschiedete. »Ich bin immer nur mit der alten Dimma unterwegs – und sie bringt ihr Pferd kaum voran. Aber jede andere Begleitung verbietet sich, sie wäre nicht schicklich. Wenn Ihr Euch dagegen erbarmen könntet … Schließlich werden wir bald verwandt sein. Da lässt es sich bestimmt vertreten.«
Wolfram wurde rot. Gisela meinte zu beobachten, dass sich seine Ohren dabei regelrecht aufstellten! So viel attraktiver als seinen Vater fand sie ihn nicht, obwohl er natürlich nicht so fett war und auch noch über volles, dunkelblondes Haar verfügte. Aber immerhin versicherte er ihr nun in artigen Worten und fast ohne Stottern, er stünde natürlich als Begleiter zur Verfügung.
»Ich … bin … werde ja so was wie … Euer Stiefsohn.«
Gisela fragte sich, ob es ihr in der Funktion als Stiefmutter wohl erlaubt wäre, ihn zu züchtigen … Sie hätte beinahe hysterisch gelacht.
Dimma verdrehte die Augen, als sie ihr gleich darauf Bericht erstattete. »Du musst mich so schön machen, dass er einfach nicht widerstehen kann!«, forderte Gisela.
»Vor allem müsst Ihr Euch mäßigen. Wenn Ihr so reitet, wie Ihr es gewöhnlich tut, werdet Ihr ihn nach der ersten Wegbiegung verlieren!«, seufzte die alte Kammerfrau.
Gisela kicherte. »Er wird mir zu Füßen fallen, glaub mir«, bemerkte sie. »Ich muss den Antrag dann nur noch annehmen.«
Dimma zweifelte am Erfolg ihrer Bemühungen. Und dabei war ihr Zögling so hübsch! Wenn dieser Knappe das nicht bemerkte, so musste er eher dem eigenen Geschlecht zugeneigt sein. Oder blind und taub!
Tatsächlich war Wolfram von Guntheim weder blind noch taub, und durch seine Träume geisterten auch keine anderenRitter, sondern durchaus Frauen und Mädchen. Genau genommen träumte er seit Wochen von Gisela von Bärbach – auch wenn sich ihr Bild in seinen Fantasien erheblich von ihrem Auftreten in der Wirklichkeit unterschied. Giselas offene, lebhafte Art und vor allem ihre unverhohlenen Annäherungsversuche gefielen ihm nicht, Wolfram wünschte sich, das Mädchen seinerseits zu erobern. Ein schüchternes, unterwürfiges Weib wollte er – keine selbstbewusste kleine Walküre, die besser auf dem Pferd saß als viele Männer und immer diesen spöttischen Gesichtsausdruck trug.
Wenn Gisela lachte, erinnerte sie ihn stets an seine letzte Stiefmutter. Wolfram ballte die Fäuste und versuchte, dieses Bild zu verdrängen. Ethelberta war schön gewesen – und fast so jung wie Gisela. Sie hatte nicht versucht, Wolfram zu bemuttern wie ihre Vorgängerinnen. Stattdessen hatte sie mit ihm gescherzt, ihn geneckt und gereizt – wie einen Mann! Aber dann, als er versucht hatte, sich ihr zu nähern wie ein Mann, hatte sie ihn zurückgewiesen.
Sie hatte behauptet, sich vor seinem Vater zu fürchten und ihn auf keinen Fall betrügen zu dürfen, aber Wolfram wusste es besser. Ethelberta hatte über ihn gelacht! Zweifellos hatte sie gelacht, niemand nahm ihn ernst, niemand hatte mehr für ihn übrig als Spott! Die Frauen, sein Waffenmeister … sein Vater.
Und dabei ersehnte Wolfram sich doch nichts dringlicher als Odwins Anerkennung! Wenn er ihm nur ein bisschen ähnlicher wäre! Odwin war ein Mann, ein Ritter, niemand nannte ihn hinter seinem Rücken einen Weichling. Seine Männer respektierten ihn. Und wie die Frauen vor ihm kuschten! Wolframs Vater wurde niemals geneckt und verlacht. Zumindest nicht lange.
Wolfram erinnerte sich an die junge Ethelberta und ihre Vorgängerin Fredegunda. Fredegunda war älter gewesen und selbstsicherer, aber dennoch. Immer lag ein spöttischer Ausdruck in ihren Augen, wenn sie ihm begegnete – in Anwesenheitseines Vaters verhielt sie sich gänzlich anders. Schüchtern hatte sie die Augen niedergeschlagen, nachdem sie die erste Nacht mit seinem Vater verbrachte. Von dem Moment an reichte ein Wort von Odwin, und Fredegunda verbeugte sich, küsste ihn, wenn er es ihr befahl, schwieg, wenn er sie seinen Freunden vorführte wie ein Schoßhündchen. Bei Ethelberta war das fast noch schneller gegangen. Geneckt und grausam gereizt hatten sie nach der Hochzeitsnacht nur noch Wolfram.
Dabei glaubte der Junge genau zu wissen, wie Odwin sich die Frauen unterwarf. Er war oft genug um die Kemenate seines Vaters herumgeschlichen und hatte ihre Schreie gehört. Aber um sie so zu behandeln, brauchte man ein Ehegelöbnis. Ein Mädchen musste dem Mann gehören … ganz und gar. Frauen wie Gisela nahmen einen Mann nur ernst, wenn sie ihm ausgeliefert
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