Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
war leicht zu erregen. Sein Atem war schon rascher gegangen, als er Magdalenas spitzes, kleines Gesicht gesehen hatte.
»Herrgott, du bist wirklich ein Kind!«, stöhnte er und schien Anstalten machen zu wollen, sich zu bekreuzigen. Im letzten Moment schreckte er dann aber doch davor zurück und tat nur, wozu er gekommen war.
Zum Glück war der Mönch nicht sehr groß, und er bewegte sich auch nicht zu wild auf und in ihr. Magdalenahielt die Luft an wie immer und wappnete sich gegen den Schmerz, aber es tat nicht mehr weh als sonst. Manchmal wollten gerade die Kuttenträger außergewöhnliche Sachen. Dann schmerzte es sehr, und Magdalena fühlte sich mitunter hundeelend. Aber krank werden durfte sie nicht, ihr Stiefvater machte ihr stets eindringlich klar, dass er sie nur behielt, solange sie nützlich war. Und was einem Mädchen in ihrem Alter geschah, wenn sie ohne Beschützer herumirrte, sah sie ja jedes Mal, wenn sie sich zum Betteln herauswagte.
Der Mönch zog sich jetzt aus ihr zurück und wirkte zwar einerseits befriedigt, andererseits aber von Reue zerfressen. »Jesus, liebster Jesus, vergib mir, ich habe es schon wieder getan!«
Zu Magdalenas grenzenloser Verwirrung warf sich ihr Freier auf die Knie, faltete die Hände und rief Gott an.
Das Mädchen hätte ihm sagen können, dass der Herr nicht darauf hörte. Vielleicht lag es ja am Judenviertel, aber bislang war keines der unzähligen innigen Gebete, Bitten und Fürbitten erhört worden, die Magdalena und ihre Mutter hier gestammelt hatten.
»Und vergib auch diesem Kind, das mich in Versuchung führte!«
Magdalena fand es ungerecht, beschuldigt zu werden. Wenn jemand diesen Mann in Versuchung geführt hatte, so ihr Stiefvater. Sie selbst hatte sich aus ihrem Verschlag nicht fortgerührt.
»Aber nun werde ich Buße tun! Ich schwöre es dir, liebster Jesus, ich werde nicht ruhen, bis der Eid erfüllt ist. Und wenn es dein Wille ist, dass wir Jerusalem erreichen, so werde ich beten, so inbrünstig beten, dass die Heiden dem nicht widerstehen können. Wenn du mir dann nur die Bürde dieser Schande nimmst … diesen quälenden Drang …«
Der Mönch begann zu weinen, und Magdalena hätte beinahe mitgeweint. Aber sie wusste, dass das nichts nützte. Kein Weinen, kein Beten, kein Schreien. Manchmal glaubtesie, der Herr habe sie verdammt. Dann schleppten die älteren Mädchen, die dem Hurenwirt in der Schänke gehörten, sie am Sonntag doch wieder in die Kirche. Magdalenas Stiefvater wollte das nicht, aber er mochte dem Hurenwirt nicht widersprechen, der ihm immerhin den Verschlag hinter seiner Schänke überließ. Der Wirt selbst, so erklärte er würdevoll, sei ein guter Christ und verkaufe keine Kinder … er schicke seine Mädchen jeden Sonntag nach St. Quentin, damit sie für ihre Sünden um Verzeihung baten.
Magdalena wollte das auch tun und schlich sich fort, wann immer es möglich war. Und dann sah sie all das Licht und das gütige Gesicht des Herrn Jesu auf den Bildern in der Kirche … Es war so ergreifend und erhebend! Das Mädchen fasste dann stets wieder Hoffnung – bis sich, oft gleich nach dem Kirchgang, der nächste Freier auf es stürzte.
»Ich gehe auf deinen Kreuzzug, Herr, ich halte die Hand Deines Auserwählten. Und bitte, bitte vergib mir, damit ich es reinen Herzens tun kann.«
Der Mönch hörte gar nicht mehr auf, seinen Gott anzuflehen. Dabei hatte der Stiefvater eben einen Kanten Brot ans Fußende von Magdalenas Lager geworfen. Magdalena hätte es gern gegessen, bevor er womöglich mit dem nächsten Freier kam und das Essen wieder mitnahm! Magdalena sollte schnell fertig werden. Wenn ein Freier so lange blieb, dass der nächste ihn geradezu ablösen musste, war das schlecht fürs Geschäft. Der Stiefvater würde sie dafür strafen.
Das Mädchen versuchte, den Mönch abzulenken. »Ihr geht auf einen Kreuzzug, Herr?«, fragte es.
Wie erhofft, fand der Mann zurück in die Wirklichkeit.
»Auf einen Kreuzzug der Unschuldigen!«, erklärte er mit leuchtenden Augen. »Einen Kreuzzug der Kinder …«
Magdalena dachte im Stillen, dass ihm dieser Umstand kaum helfen würde, den verhassten Drang in ihm zu zügeln, aber das war schließlich nicht ihr Problem.
Während sie dem Gedanken kurz nachhing, predigte derjunge Mönch in farbigen Worten von Nikolaus und seinem Auftrag.
»Jeder ist gefordert! Jedes Kind, Mädchen und Junge, jeder Bettler, jeder Aussätzige, jede …«, der Mönch schluckte und brach ab, »… und allen, allen
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