Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Armands Pferden war nur noch der Hengst Wolframs und Nikolaus’ Eselchen mitgekommen. Wolfram hatte für sein Tier zweifellos bezahlt, er musste noch über reichlich Geldmittel aus dem Verkauf der Rüstung und des Pferdes seines Vaters verfügen.
Wer welche Dienste dafür geleistet hatte, dass Nikolaus weiter komfortabel reiste, blieb offen. Konstanze registrierte verwundert und Dimma mit wissendem Gesichtsausdruck, dass Magdalena das gleiche Boot bestieg wie der kleine Prediger.
Die letzte Ortschaft, bevor es endgültig ins Gotthardmassiv hinaufging, war Göschenen. Schon in diese winzige Ansiedlung im oberen Reusstal führten schwierige Wege. Bachbetten mit hohen Steinen darin waren zu überwinden, und Gisela fürchtete um Smeraldas empfindliche Beine. Armand kämpfte bei der Überquerung wackliger Brücken mit seinem Schwindel, und alle gerieten außer Atem, als sie einem Wildbachbergauf folgten, bis sie endlich eine Möglichkeit fanden, ihn zu überspringen.
»Wird das wirklich noch schlimmer?«, erkundigte sich Rupert.
Armand konnte ein Lachen kaum unterdrücken. Schon jetzt wurde auch die Luft dünner, die Wanderer mussten schlucken, um den Druck in den Ohren zu bekämpfen. Natürlich ermüdeten sie auch schneller, die Jüngsten murrten und wollten getragen werden. Armand sorgte dafür, dass sie auf die Pferde gehoben wurden, und ging selbst zu Fuß.
In Göschenen reagierten die Menschen verwirrt und wie die Brunnener eher ablehnend auf die Invasion der Kreuzfahrer. Der Ortsvorsteher, ein freundlicher Mann mit gewaltigem Bart, versuchte wie schon so viele andere vor ihm, Nikolaus seine Mission auszureden.
»Junge, es ist ja richtig, dass dies die kürzeste Verbindung zum Meer ist. Und die Passstraße wird auch bestimmt mal ausgebaut. Hätten wir schon längst gemacht, aber da braucht’s eine Brücke über die Schöllenenschlucht, und das kommt uns zu teuer. Wir hoffen da auf den neuen Kaiser – dem liegt ja wohl viel am Verkehr nach Rom, vielleicht finanziert er uns den Ausbau. Aber vorerst wagt sich da nur rüber, wer die Wege kennt.«
»Gott wird sie uns weisen!«, antwortete Nikolaus.
Der Ortsvorsteher bekreuzigte sich, verdrehte dabei aber die Augen.
»Und das Wetter!«, fuhr er dann fort. »Kindchen, in deinem Büßerhemdchen hier erfrierst du auf dem Gotthard.«
»Gott wird uns wärmen!«, entgegnete Nikolaus, was in seinem Fall auch zutraf. Die Mönche versorgten ihn mit warmem Lodenzeug und reichlich wollenen Decken, mit denen sie seinen Wagen auspolsterten.
Den anderen Kindern wurde keine himmlische Hilfe zuteil – abgesehen von der Gruppe um Armand, der jetzt das Geld der Templer zugutekam. Armand sprach mit ein paarerfahrenen Bergbauern und sorgte für eine entsprechende Ausrüstung.
»Eure Zelte sind gut, was Größeres kriegt ihr da gar nicht aufgebaut«, erklärte einer von ihnen nach einer kurzen Inspektion ihrer Habseligkeiten und ihrer Tiere. »Das Maultier ist gut, der Wallach ist gut.« Er wies auf Armands Comes. »Aber die Stuten, so schön sie sind, werden ihre Schwierigkeiten haben. Wenn Ihr wollt, tausche ich sie Euch gegen brave Saumtiere ein.«
Dimma war gern bereit, sich von ihrem Schimmel zu trennen, aber Gisela schüttelte den Kopf. »Smeralda schafft das. Sie muss ja schon mal über die Berge gegangen sein, sie kommt aus Hispanien. Und ich passe auf sie auf.«
Der Bergführer zuckte die Achseln. »Wie Ihr meint, Fräulein. Aber Ihr solltet sie führen. Und noch besser lasst Ihr sie hinter dem Maultier herlaufen, meist finden die Tiere ihre Wege allein. Besorgt Euch also genügend lange Führstricke. Überhaupt ist Tauwerk sinnvoll, manchmal rettet es Leben, wenn einer abstürzt. An manchen Stellen bildet man auch besser eine Seilschaft.«
Der Mann erklärte, was man darunter verstand. Schon bei dem Gedanken, sich irgendwo abzuseilen, packte Armand das nackte Grauen. Über den Brenner hatten sie die Pferde nicht führen müssen, und erst recht war nicht die Rede davon gewesen, sich zur gegenseitigen Sicherung aneinanderzubinden.
Armand erstand Seile, Haken und Eispickel und beherzigte die Warnung, jeden der Wanderer mit einem Ranzen auszustatten, in den sie die wichtigsten Inhalte ihrer Satteltaschen umluden.
»Es kann sein, dass die Pferde abstürzen, und dann habt Ihr gar nichts mehr«, erklärte ihr Ratgeber.
Armand wäre am liebsten sofort umgekehrt. Nikolaus dagegen vertraute so sehr auf seinen Gott, dass er sich nicht einmal überreden ließ, in
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