Der einaeugige Henker
seine Stirn gegen den kalten Stein. Er umklammerte die Säule mit beiden Armen, als wäre sie eine von ihm geliebte Person.
Ich ließ ihn in Ruhe. Er musste mit dem fertig werden, was er gesehen hatte, und auch an mir war dieses Geschehen nicht spurlos vorübergegangen.
Ich setzte mich in eine Bankreihe und streckte meine Beine aus. Ich brauchte jetzt Ruhe und das Alleinsein, denn mir ging viel durch den Kopf.
Drei Tote.
Waren sie wirklich tot? Hatte es genau zu diesem Zeitpunkt diese Morde gegeben oder hatte ich etwas gesehen, was tief in der Vergangenheit geschehen war?
Ich konnte es nicht sagen. Es war jetzt wichtig, dass wir die Frau fanden, aber auch das Haus, in dem diese grausame Tat geschehen war. Hellseher war ich nicht, aber ich war mir irgendwie sicher, dass dieses Haus kein normales war. Ich schätzte es eher als eine reale Blockhütte ein, die irgendwo in der Natur stand.
Und dann gab es diesen Henker!
Eine Figur wie aus einem Mittelalter-Film. Oder wie aus einem Ritterroman entsprungen. Es war keine normale Gestalt, wie man sie oft bei irgendwelchen Ritterfesten zu sehen bekam. Da spielte auch der Henker immer eine große Rolle. Das hatte ich schon öfter gesehen. Da tauchte er dann auf, und sein Kopf war durch eine schwarze Kapuze verdeckt. Das alles war mir bekannt, aber ich wusste auch, dass es bei diesen Treffen keine Toten gab, höchstens mal ein paar Verletzte oder Angeschlagene.
Wer war dieser Henker? Und warum hatten wir ihn ausgerechnet hier in diesem Spiegel gesehen, der in einer Kirche hing, die nichts mit Mord und Totschlag zu tun hatte?
Der Pfarrer löste sich von seiner Säule und drehte sich um. Dabei trafen sich unsere Blicke, und ich sah, wie er den Kopf schüttelte.
»Ich kann es nicht begreifen«, sagte er mit kratziger Stimme, »es ist mir ein Rätsel.«
Ich deutete auf den Spiegel. »Er ist ein Teil dieser Kirche. Dann ist es der Henker auch. Würden Sie mir da zustimmen?«
»Nein, nicht der Henker.«
»Haben Sie mich nicht seinetwegen gerufen?«
»Ja, das schon.« Henry Hope trat mit dem Fuß auf. »Aber ich stimme Ihnen nicht zu, was den Henker angeht.«
»Und trotzdem hat er sich den Spiegel ausgesucht.«
»Ja!« Der Pfarrer schluckte. »Es ist ein Phänomen, zu dem es möglicherweise eine Erklärung gibt, die ich aber nicht kenne.«
»Und trotzdem muss dieser Mörder eine Beziehung zu dieser Kirche oder dem Spiegel haben. Eine andere Möglichkeit kann ich mir nicht vorstellen.«
Der Pfarrer nickte langsam. »Da werde ich wohl in den alten Kirchenbüchern nachschauen müssen. Kann sein, dass ich dort etwas finde. Einen Hinweis auf frühere Zeiten, wo bestimmte Dinge passiert sind. Könnte ja sein, Mister Sinclair.«
»Ja, tun Sie das.«
»Und was ist mit dem Spiegel?«
Ich hatte die Frage erwartet, gab aber keine Antwort. Nicht weil ich keine hatte, ich wollte sie mir erst noch durch den Kopf gehen lassen. Sie war ungewöhnlich, und ich hoffte, dass ich den Pfarrer überzeugen konnte.
Ich schaute mir den Spiegel noch mal genauer an, maß ihn praktisch mit den Augen ab und verglich ihn mit dem Innenraum meines Rovers. Ja, das könnte klappen.
Henry Hope hatte mich beobachtet und fragte: »Woran denken Sie, Mister Sinclair?«
»An den Spiegel.«
»Und weiter?«
»Ich überlege, ob ich ihn mitnehmen soll.«
Der Pfarrer verzog den Mund. Lachen konnte er nicht. Er fragte nur: »Den Spiegel?«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Ich denke, dass ich sein Geheimnis herausfinden muss. Da ist es besser, wenn ich ihn in meiner Nähe habe. Ich kann ja nicht für länger hier in der Kirche bleiben. Da ist es besser, wenn ich den Spiegel mitnehme, und ich denke auch, dass es kein Raub ist, sodass Ihr Bischof sicherlich nichts dagegen haben wird.«
Er wiegte den Kopf. Dann lächelte er. »Ja, nehmen Sie ihn ruhig mit. Tun Sie mir den Gefallen. Es ist wirklich besser, wenn er hier wegkommt. Er hat schon zu viel Unheil gestiftet. Ich – ich – brauche ihn nicht.«
»Danke, das ist gut.«
»Wie geht es bei Ihnen weiter?«
»Tja, da muss ich noch nachdenken. Ich werde versuchen, sein Geheimnis zu lüften. Ich muss ihn untersuchen. Kann sein, dass ich dem Henker dann auf die Spur komme.«
»Es wäre zu wünschen.«
»Und«, sagte ich, »da gibt es noch ein Problem. Es ist die junge Frau. Ich wollte mit Ihnen noch über sie sprechen. Kann es sein, dass Sie sie kennen? Dass Sie die Frau schon mal gesehen haben? Könnte man da einhaken?«
»Nein.«
Ich nickte. »Sie haben
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