Der Einbruch des Meeres
später ein Arm des neuen Meeres werden sollte und dem noch mehrere kleine Wasserläufe der Insel zuflossen, genügte für die Bedürfnisse der Bevölkerung.
Wie schon erwähnt, stand die Oase Zenfig nur dürftig in Verbindung mit den andern Oasen der Provinz Constantine. Hier versorgten sich nur die nomadisierenden Tuaregs, die durch die Wüste schweiften, gelegentlich mit frischem Proviant. Im übrigen war sie gefürchtet, und das mit Recht. Die Karawanen vermieden es so viel wie möglich, in ihrer Nähe vorüberzuziehen, denn es waren schon zu viele von Banden, die aus Zenfig hervorbrachen, in der Umgebung des Melrir überfallen und beraubt worden.
Die Zugänge zur Oase waren dagegen sehr beschwerlich, ja sogar höchst gefährlich. Überall in der Umgebung des Henguiz mangelte dem Erdboden des Schotts jede Festigkeit. Nichts als beweglicher Sand, worin eine Kafila hätte gänzlich versinken können. Durch diese pliozänen Bodenstrecken mit Sandmassen, die mit Gips und Salz vermengt waren, zogen sich kaum einige, nur den Einwohnern bekannte, gangbare Stege, denen man achtsam folgen mußte, wenn man, ohne die Gefahr, in morastige Pfühle einzusinken, die Oase erreichen wollte. Es lag nun auf der Hand, daß das Henguiz leicht von Fahrzeugen angelaufen werden konnte, wenn das Wasser erst die lockre Kruste überdeckte, auf der der Fuß keinen sichern Stützpunkt fand. Gerade das wollten die Tuaregs aber auf keinen Fall zulassen, und so lag denn auch hier der eifrigste und hitzigste Herd des Widerstandes.
Von Zenfig gingen unausgesetzt Aufrufe zu dem »Heiligen Kriege« gegen die Fremdlinge aus.
Unter den verschiedenen Volksstämmen des Djerid nahm der von Zenfig die erste Stelle ein, und groß war der Einfluß, den er von jeher auf die Gesamtmenge der Eingebornen ausübte. Er konnte diesen auch in voller Sicherheit geltend machen, da er eine Störung in seinem so gut wie unzugänglichen Zufluchtsorte kaum zu fürchten hatte. Diese hervorragende Stellung mußte die Oase aber vollständig an dem Tage einbüßen, wo die aus der Kleinen Syrte einströmenden Fluten das Schott bis zu seinen Rändern ausfüllten und damit Henguiz zur Zentralinsel des Melrir machten.
In der Oase von Zenfig hatte sich der Stamm der Tuaregs in ursprünglicher Reinheit erhalten, hier hatten sich die übererbten Sitten und Gebräuche in keiner Weise verändert. Die Männer zeigen einen schönen Typus mit ernsten Gesichtszügen, eine stolze Haltung und eine gemessene Art der Bewegung. Alle tragen einen Ring aus grünem Serpentin, der ihrem Arme, wie sie glauben, besondere Kraft verleiht.
Von Natur sehr mutig, kennen sie keine Furcht vor dem Tode. Sie kleiden sich noch immer in der Tracht ihrer Vorfahren, tragen die Gandura aus gestreiftem Kattun des Sudans, ein blau und weißes Hemd, am Knöchel zugebundene Beinkleider, lederne Sandalen, auf dem Kopfe die von einem turbanartig gewundenen Tuche gehaltne Chechia, von der ein Schleier bis zu den Lippen herabhängt, der den Mund vor dem Staube schützt.
Die Frauen, ein prächtiger Menschenschlag mit blauen Augen, dichten Brauen und langen Wimpern, gehen mit offenem Gesicht, das sie nur aus Achtung vor Fremden gelegentlich verhüllen. In den Häusern der Tuaregs findet man sie nicht in der Mehrzahl, denn dieser Stamm läßt, entgegen den Vorschriften des Korans, keine Vielweiberei zu, gestattet dagegen die Ehescheidung.
In dieser Gegend des Melrir bildeten die Tuaregs eine für sich abgeschlossene Bevölkerung, die sich niemals mit andern Sippen des Djerid vermischte. Führten die Häuptlinge ihre Getreuen aus der Oase heraus, so geschah das nur zu einer beuteversprechenden Razzia, zur Plünderung einer Karawane oder zu einem Vergeltungs-und Rachezuge gegen eine feindliche Oase. Die Tuaregs von Zenfig waren in der Tat furchtbare Räuber, die sich zu Überfällen nicht selten durch die Ebenen Niedertunesiens bis in die Nähe von Gabes vorwagten. Zwar sandten die Militärbehörden oft genug bewaffnete Abteilungen gegen die Räuberrotten aus, immer aber gelang es den Tuaregs, sich beizeiten nach irgendeine unzugänglichen Schlupfwinkel des Melrir zu flüchten.
Obwohl der Tuareg im allgemeinen sehr nüchtern ist, sich weder von Wild oder Fischen ernährt, obwohl er nur wenig Fleisch ißt, und sich mit Datteln, Feigen, den Beeren der
Salvadora persica,
mit Mehlspeisen, Milch und Eiern begnügt, so hält er sich zu seiner Bedienung doch Sklaven, hier »Inerhad« genannt, denen alle groben
Weitere Kostenlose Bücher